PopCo
Abkürzungen liebe, sind
es doch immer Abkürzungen innerhalb eines klar umrissenen Systems.
Deshalb kann ich auch nicht recht daran glauben, dass die gerade gemachte Entdeckung wirklich von Bedeutung ist. Ich habe
doch gar kein System benutzt. Trotzdem schreibe ich die Buchstaben – E, T, A, R, I, S, L, C – auf ein Blatt und probiere aus, welche Wörter sich daraus bilden lassen. Natürlich gehe ich auch
dabei systematisch vor, versuche erst Wörter zu bilden, die mit E anfangen, dann Wörter mit T und Wörter mit A. So stoße ich, obwohl man aus dem Buchstabensalat auch noch andere Wörter wie beispielsweise «RECITAL» bilden kann, als Erstes
auf das Wort «ARTICLES». Und plötzlich passt alles zusammen.
Ist das jetzt etwa ein glücklicher Zufall? Nein. Ich habe zwei wichtige Lektionen von meinem Großvater gelernt: Wenn du eine
große Zahl siehst, zerlege sie in ihre Primfaktoren, undwenn du sinnlos zusammengewürfelte Buchstaben siehst, versuche Wörter daraus zu bilden. Vielleicht war es ja ein glücklicher
Zufall, dass ich das Foto entdeckt habe. Ja, vielleicht.
Natürlich brauche ich danach noch das ganze Wochenende, um das eigentliche Rätsel zu lösen. Die «Articles» sind bereits ein
Teil der Antwort. Sie beziehen sich auf die Schiffsartikel des Piratenschiffs, ein Dokument, das sich naturgemäß auch in John
Christians Besitz befunden haben muss und mit dessen Hilfe Francis Stevenson seinen Text verschlüsselte. Jetzt, wo ich weiß,
welcher Text dafür verwendet wurde, erscheint mir das Ganze plötzlich unglaublich offensichtlich. Mein Großvater hat mir so
viele Hinweise gegeben … Er hat niemals von einem Buch gesprochen und immer wieder gesagt, dass der «Text» eigentlich nicht mehr existiere, dass
er ihn eigenhändig rekonstruieren musste. Hätte ich mir nur einmal die Mühe gemacht, alle Bücher und Texte aus der Piratengeschichte
aufzulisten – vielleicht wäre ich dann selbst darauf gekommen.
Doch wie hängt das alles mit meinem Medaillon zusammen? Weshalb hat mein Großvater darauf bestanden, dass ich es all die Jahre
trage? Hätte es mir je gelingen können, diese absurde Zahl zu entschlüsseln und auf die Lösung «Articles» zu kommen? Ganz
sicher nicht. Doch im Lauf des Wochenendes finde ich nach und nach heraus, was dahintersteckt und was das eigentlich Raffinierte
daran ist.
Ich weiß noch, wie ich versuchte, mit Gödels Code
I love you
zu schreiben, und wie sehr mich die riesigen Zahlen frustrierten, die dabei herauskamen. Natürlich enthält gerade dieser Satz
viele Buchstaben, die im Alphabet sehr weit hinten stehen und dadurch extrem hohe Zahlen wie 13 25 oder 19 21 ergeben. Doch selbst ein einzelnes Wort kann zu gewaltig großen Zahlen führen, wenn man es auf diese Weise verschlüsselt,
weshalb ich den Gödel-Code recht schnell wieder verwarf. Das Alphabetmit seinen 26 Buchstaben, denen jeweils ein numerischer Wert zugeordnet werden musste, war einfach zu komplex dafür. Und die Tatsache, dass
der Buchstabe T, der in der Häufigkeitstabelle des Englischen an zweiter Stelle steht (und einem damit recht häufig begegnet),
grundsätzlich die Nummer 20 im Alphabet aufweist, machte es auch nicht besser.
Mein Großvater allerdings fand Gödels Code und sein Potenzial für die Kryptographie immer schon besonders faszinierend; es
ist also keineswegs überraschend, dass er ihn dieses eine Mal tatsächlich selbst verwendet hat, um ein einzelnes Wort mit
acht Buchstaben zu verschlüsseln. Doch schon ein Wort wie «Articles» erweist sich als problematisch, wenn man es nach Gödels
System codiert. Es enthält die Buchstaben T und S – und das S ist der achte Buchstabe des Wortes, weswegen man zum guten Schluss
noch einmal 19 19 zu berechnen hat. Aus diesem Grund hat mein Großvater statt des Alphabets lieber Fletcher Pratts Häufigkeitstabelle dazu
verwendet, den Buchstaben Zahlen zuzuweisen.
Ich frage mich, was sich mein Großvater wohl gedacht hat, als er diesen Code entwickelte, um zu beweisen, dass er das verschwundene
Dokument kannte. War er wirklich der Ansicht, eine sinnvolle Zahl generieren zu können, um sie dann für mich in ein Medaillon
eingravieren zu lassen? Eine Zahl, dieich in ihre Primfaktoren zerlegen, als Gödel-Code erkennen und dann mit der Häufigkeitstabelle vergleichen würde? Das kann
er doch nicht ernsthaft geglaubt haben. Die Zahl, die man erhält, wenn man diese Buchstaben durch den
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