PopCo
Gödel-Code laufen lässt,
hat 49 Stellen. Sie passt in keinen Taschenrechner …
Irgendwann am Samstagnachmittag mache ich es dann trotzdem: Ich hole meinen Taschenrechner und rechne alles aus. 2 3 ⅹ 3 6 ⅹ 5 2 ⅹ 7 7 ⅹ 11 13 ⅹ 13 11 ⅹ 17 1 ⅹ 19 8 . Und als ich das Ergebnis vor mir habe, falle ich fast in Ohnmacht. Es ist genau die Formel, die auf meinem Medaillon steht:
214488156Ex48, eine Zahl, die mich mein Leben lang begleitet hat, die ich besser kenne als meine eigene Telefonnummer. Die
Zahl ist natürlich in sich nicht korrekt, und doch ist sie das Ergebnis, das herauskommt, wenn man diese Berechnungen mit
dem Taschenrechner durchführt. Und im selben Moment begreife ich. Mein Großvater ist eigentlich nie davon ausgegangen, dass
ich den Code auf dem Medaillon knacken und auf diese Weise an die Lösung kommen würde. Der Code sollte nur dazu dienen, die
Lösung zu überprüfen, nicht dazu, sie überhaupt erst zu bekommen. Offenbar hat mein Großvater gehofft, dass ich eines Tages
auf das Wort «Articles» stoßen und klug genug sein würde, es über Fletcher Pratt und Gödel mit meiner Halskette in Beziehung
zu setzen und zu begreifen, dass es die richtige Lösung ist.
Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht hatte er eigentlich immer vor, mir das alles irgendwann zu erzählen, und ist dann nicht
mehr dazu gekommen. Am Ende seines Lebens war er schließlich so von dem Voynich-Manuskript besessen, dass nichts anderes mehr
eine Rolle spielte. Aber nein. Im Grunde weiß ich, wozu das Medaillon dienen sollte: Das liegt ja auch auf der Hand. Falls
jemals irgendwer in Zweifel gezogen hätte, dass mein Großvater die Lösung tatsächlich gefunden hat(oder beispielsweise jemand Dahergelaufenes behauptete, vor ihm darauf gekommen zu sein), hätte er nur das Medaillon präsentieren
und beweisen müssen, dass ich es seit 1982 trage (und ja, natürlich gibt es haufenweise Fotos von mir, auf denen es deutlich
zu sehen ist), um dem Zweifler dann zu beweisen, dass man genau die eingravierte Zahl herausbekommt, wenn man das Wort «Articles»
auf die von ihm entwickelte Weise mit Gödels Code verschlüsselt. Er wusste, dass seine potenziellen Herausforderer nicht unbedingt
Mathematiker sein würden, sondern vielmehr Reporter oder auch Polizisten. Und für einen solchen Fall eignete sich natürlich
keine Zahl, die nicht mehr auf einen handelsüblichen Taschenrechner passte. Es war die perfekte Lösung. Mein Großvater muss
sich die Situation genau ausgemalt haben, da bin ich mir sicher. Er muss sich ausgemalt haben, wie er mit seinem Taschenrechner
vor den Zweiflern steht, die Zahlen eingibt und am Ende auf genau das Ergebnis kommt, das in mein Medaillon eingraviert ist.
Am späten Sonntagabend sitze ich immer noch vor der Truhe und krame in den Unterlagen meines Großvaters. Und gegen ein Uhr
morgens, nach einer Pizza vom Pizzaservice und Unmengen grünen Tees, finde ich endlich die richtige Zahl. Sie steht am Anfang
eines zehnseitigen Dokuments, das aus lauter kleineren Zahlen besteht, und lautet: 2 144 881 560 001 920 185 896 805 344 125 304 809 323 777 694 600. Das ist sie, die 4 9-stellige Zahl. Und ja, wenn man sie in ihre Primfaktoren zerlegt, kommt man tatsächlich auf 2 3 ⅹ 3 6 ⅹ 5 2 ⅹ 7 7 ⅹ 11 13 ⅹ 13 11 ⅹ 17 1 ⅹ 19 8 . Vielleicht hat mein Großvater also doch geglaubt, dass ich eines Tages dieses Dokument finden und wissen würde, was damit
zu tun ist.
Ich lächele, hebe den Blick ganz bewusst nach oben (zum Himmel? zum Äther?) und wünsche mir, er wäre hier, damit ich ihm erzählen
könnte, dass es mir bereits gelungen ist. Ichhabe seinen Code geknackt. Doch eigentlich weiß ich ja, was er darauf erwidern würde. «Na dann, du Schlaubergerin», würde
er sagen, «dann mach dich mal an die nächste Etappe. Finde heraus, was in den Schiffsartikeln steht, und dann finde heraus,
wo der Schatz vergraben ist.» Ich seufze auf, weil ich weiß, dass dieser Teil mich die meiste Mühe kosten wird, selbst wenn
ich die Schiffsartikel nicht von Grund auf zu rekonstruieren brauche, wie er das tun musste. Nein. Ich weiß, dass ich sie
hier vor mir habe, in diesem Dokument, das mit der Gödel-Zahl für das Wort «Articles» beginnt. Jetzt muss ich nur noch herausfinden,
welchen Text mein Großvater verwendet hat, um sie zu verschlüsseln. Also betrachte ich noch einmal das Foto und rufe mir
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