Populaermusik Aus Vittula
verschiedenen Stadtteilen stammten. Dann gab es Vittulajänkkä gegen Paskajänkkä, oder Strandvägen gegen Texas, und der Krieg war unvermeidlich.
Die Lebensdauer einer Prügelkette lag zwischen ein paar Tagen und Monaten. Normalerweise hielt sie ein paar Wochen an und nahm den oben beschriebenen Verlauf. Der erste Teil war also die Rutenphase, während der die Schläge ausgeteilt wurden und die Kleinen heulten. Dann kam die Drohphase, in der die Stärksten in die Stadt gingen und die Augen offen hielten, während die Kleinkinder sich zu Hause versteckten. Wenn man dann erwischt wurde, war das nicht besonders lustig. Diese Phase fand ich persönlich am schlimmsten, diese ewige Angst zwischen Schule und der relativen Sicherheit daheim. Zum Schluss folgte dann die Abrüstungsphase, wenn niemand mehr in der Lage war oder noch Lust hatte, die komplizierten Strafregeln und Verwicklungen auseinander zu halten, und das Ganze im Sand verlief.
Aber vorher gab es also das Terrorgleichgewicht. Es ist Winter, und man fährt mit dem Tretschlitten zum Kiosk, wo man für eine Krone gemischte Bonbons kaufen will, und die Nachmittagsdunkelheit hat bereits eingesetzt, und lockere Schneeflocken fallen aus dem unendlichen, blaugrauen Himmel und funkeln unter den Straßenlaternen wie Sterne. Und man tritt zwischen den Schneewällen dahin, und die Kufen laufen etwas zäh in dem frischen Schnee, und vom Kirunavägen her ist das Brüllen des Schneepflugs zu hören, der sich durch den Winter schiebt. Und dahinten, an der Kreuzung, steht plötzlich einer der großen Jungen. Die schwarze Silhouette eines Jungen aus der Oberstufe. Er kommt näher, man hört auf zu treten und versucht zu erkennen, wer es ist. Und man erwägt, vielleicht besser umzukehren, aber von hinten kommt plötzlich ein anderer Junge. Schwer in der Dunkelheit auszumachen, wer das ist, groß ist er jedenfalls. Und man ist umzingelt, ein kleiner Junge mit Tretschlitten. Man hat nicht die geringste Chance und kann nur hoffen. Spannt die Schulterblätter an und nähert sich dem Ersten, der einen genauestens anguckt, und die Straßenlaternen sind voller Schnee, und sein Gesicht liegt im Schatten, und jetzt geht er einen Schritt auf einen zu, und das Herz will stillstehen. Und man versucht sich schon darauf einzustellen, Schnee im Nacken, den Rücken hinunter und in den Hosen, Ohrfeigen, dass das Gehirn sich zu lösen scheint, die Mütze in eine Birke hochgeschleudert, Heulen, Rotz und Erniedrigung. Man macht sich steif wie ein Kalb in der Schlachtbox, und der Kerl kommt immer näher. Und jetzt steht er da vor einem, sodass man stehen bleiben muss. Und er fragt, zu welcher Familie man gehört, und man überlegt, dass es im Augenblick mindestens drei Prügelketten in der Stadt gibt, die man sich in Gedanken herunterbetet, und dann sagt man, wer man ist, und hofft, dass das die richtige Antwort ist. Und der Kerl runzelt die Stirn und schlägt einem die Mütze runter. Und dann sagt er:
»Da hast du aber Glück gehabt!«
Und man bürstet den Schnee von der Mütze, tritt weiter seinen Schlitten und sehnt sich mit allen Fasern danach, endlich erwachsen zu sein.
Es wurde Spätwinter, und die schlimmste Winterkälte war vorüber. Die Tage waren immer noch kurz, aber in der Mittagspause konnte man die Sonnenscheibe wie eine Blutorange über den frostigen Hausdächern hängen sehen. Wir tranken mit gierigen Kehlen das Licht, und der feuergelbe Saft erfüllte uns mit Lebenslust. Es war, als würde man aus einem Topf herausklettern, würde aus dem Winterschlaf erweckt. An einem Spätwintertag beschlossen Niila und ich, den Laestadiushügel auszuprobieren. Gleich nach der Schule schnallten wir uns unsere Holzski mit Schnürbindung unter und nahmen die Abkürzung über den Spielplatz. Es wurde dunkel, die Skier sanken fast einen halben Meter in der losen, tiefen Schneedecke ein. Niila machte die Spur, und ich fuhr hinter ihm, zwei undeutliche Figuren im Dunkel. Hinten beim Laestadius-Rauchstubenhaus wuchs eine ganze Reihe himmelhoher, nadliger Tannenriesen wie Kirchenspitzen in die Wolken. Schweigende, heilige Urbäume, erfüllt von größeren Gedanken als unseren.
Wir überquerten den vereisten Laestadiusvägen mit klappernden Skiern, die Straßenlampen brannten bereits. Schnell erklommen wir den nächsten Schneewall und schlüpften ins Dunkel, das unten am Fluss noch viel dichter stand. Schweigend glitten wir an Lars Levis’ Denkmalskopf vorbei. Er starrte zwischen den Birken
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