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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Schädel vollkommen verschwunden war, verstummte ihr unheimlicher Schrei.
    Niila stand da, das tropfende Glied in der Hand. Ich berührte es mit einem Schauder, befühlte die steifen schwarzen Haar-strähnen. Es war immer noch Leben in dem Stumpf, er machte Anstalten, sich loszuwinden, aber Niila ließ ihn nicht los.
    Und dann war es vorbei, dann kam die Dunkelheit. Dann erlosch endlich das Feuer.
    Als wir zusammengerollt im Moos erwachten, froren wir wie die Hunde. Der Wald umgab uns grau und bitterkalt. Das Messer lag dreckig im Morgenlicht da, aber das Glied war spurlos verschwunden.
    »Nopat«, stöhnte Niila.
    Ich nickte zitternd. Der Kerl hatte etwas in den Kaffee getan. Unter steifgefrorenem Schweigen fuhren wir nach Hause. Mehrere Male mussten wir anhalten und uns die Arme um den Leib schlagen, sehnsüchtig dachten wir an unsere warmen Betten.
    In der Woche danach wuchs uns das erste Schamhaar.

KAPITEL 11
    - in dem zwei Familien von Dickschädeln durch eine Ehe verbunden werden, jeder Muskel anschwillt und die Sauna angeheizt wird.
    Mein Vater war einer von der stillen Sorte. Er hatte drei Ziele in seinem Leben gehabt und sie alle erreicht, und manchmal strahlte er eine Selbstzufriedenheit aus, die mich reizte, je älter ich wurde. Erstens wollte er stark werden, und die Waldarbeit hatte ihm anschwellende Muskeln gegeben. Zweitens wollte er finanziell unabhängig sein. Und drittens eine Frau finden. Nachdem ihm all das gelungen war, war es jetzt meine Aufgabe, die Fackel weiterzutragen, und ich spürte, wie der Druck mit jedem Tag wuchs. Das Gitarrengeklimper stand jedenfalls nicht besonders hoch im Kurs. Dagegen übertrug er mir gern die Aufgabe, mit der stumpfsten Säge, die er finden konnte, Holz zu sägen, um so meine Oberkörpermuskeln zu kräftigen. Ab und zu überprüfte er, ob ich auch nicht schummelte, schob seinen kräftigen Unterkiefer vor, der einem Holzschuh ähnelte, und zupfte am Schirm seiner Mütze, die nur schwer auf seiner flachen, nach hinten fliehenden Stirn Halt fand. Er hatte nur einen schwachen Bartwuchs, was unter den Tornedalbewohnern ganz üblich ist, deshalb erschienen seine Wangen leicht dick und fast babyhaft, und mitten aus diesem Hefeteig ragte die Nase hervor. Sie sah aus wie ein Radieschen, das jemand geworfen hatte, sodass es etwas schräg gelandet war, und ich ertappte mich immer wieder dabei, dass ich am liebsten an ihr gezupft und sie gerichtet hätte.
    Er stand da, ohne etwas zu sagen, während ich sägte und schwitzte. Schließlich streckte er die Hand vor und maß meine
    Oberarme zwischen Daumen und Zeigefinger und dachte dabei, dass ich doch lieber ein Mädchen geworden wäre.
    Er selbst war breitschultrig, genau wie seine acht Brüder, die hatten alle die gleichen bulligen Muskelpakete auf den Schultern und den gleichen gedrungenen Stiernacken, der auf der Vorderseite des Körpers hervorzuragen schien, sodass alle leicht gebeugt erschienen. Es ist ein Jammer, dass ich selbst nicht mehr von ihnen geerbt habe, und sei es auch nur um endlich die Kommentare der verdammten Kerle nicht mehr hören zu müssen, wenn sie sich an den Familienfeiertagen besaufen. Aber der größte Teil der Muskeln war wohl, genau wie bei meinem Vater, Ergebnis harter körperlicher Arbeit seit dem dreizehnten Lebensjahr. Alle hatten sie in diesem Alter angefangen, im Wald zu arbeiten. Die Winter hindurch gesägt und gehackt, um den Akkord zu erfüllen. Anschließend geflößt, wenn das Frühjahr kam, und dann Heuernte und Torfstechen, Grasschnitt im Moor oder Grabenpflege für ein paar Kronen vom Staat, und in ihrer Freizeit hatten sie für sich selbst ein Haus gebaut und die ganze Nacht hindurch die Bretter dafür mit der Hand gesägt. Das war ein Schuften, das sie widerstandsfähig machte wie das zu schmiedende Eisen von Kengis.
    Mein jüngster Onkel Ville war immer Junggeselle geblieben, und viele glaubten, dass er das auch für alle Zeiten bleiben würde. Oft war er auf Freiersfüßen in Finnland gewesen, aber es hatte nie geklappt, und er verstand einfach nicht, was er falsch machte. Schließlich hatte ihm ein Nachbar den Rat gegeben:
    »Du musst dir ein Auto kaufen.«
    Ville folgte dem Rat und kaufte sich einen alten Volvo. Mit dem fuhr er wiederum nach Finnland und konnte sich dort gleich verloben - und wunderte sich, warum er nicht selbst schon viel früher auf so einleuchtende Dinge gekommen war.
    Die Hochzeit fand im Sommer, mitten während der Ferien statt, und das Rauchstubenhaus

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