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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Details zu sehen. Nein, das klappte nicht. Das war einfach zu viel.
    Ich lag kopfüber am Waldrand und fühlte, wie das Fieber zurückkehrte. Das Geld! Man musste einfach immer nur ans Geld denken! Siebzig Körper waren das mindestens. Oder vielleicht sogar achtzig. Mal fünfzig Öre machte vierzig neue, klingende Kronen.
    Es war halt eine Arbeit. So musste man es sehen, ein Sommerjob.
    Also wieder zurück. Schnipp, fünfzig Öre. Schnipp, eine Krone. Runter mit der Leiche in den Mülleimer, und dann weg und tief Luft holen.
    Eine Krone. Scheiße, eine Krone, o Scheiße, Scheiße.
    Wieder rein mit der Harke. Schnipp, eins fünfzig.
    Schnipp, zwei Kronen. Zwei fünfzig.
    Wenn nur der Gestank nicht wäre.
    Vier Kronen. Fünf. Sechs fünfzig.
    Mein Gott, das dauerte, war es nicht bald zu Ende ...
    Es ging schrecklich langsam. Einige waren frischer, noch steif. Andere zerfielen in ihre Einzelteile. Kleine Pfoten mit gespreizten Klauen, gelbe, blitzende Nagezähne. Zwischen den Ratten lag auch die eine oder andere Feldmaus, groß wie eine Katze und grotesk aufgeschwollen. Sie schwammen in verdrehten Körperstellungen, waren in ihrem schrecklichen Todeskampf erstarrt.
    Der größte Teil des Vormittags war vorbei, als endlich die erste Mülltonne voll war. In kurzen Etappen schleppte ich sie in den Wald. Der Inhalt schwappte und blubberte. Ich leerte den Dreck in die Leichengrube. Kehrte zur Tonne zurück.
    In den kleineren Wasserfallen gab es weniger Opfer, aber sie waren ebenso verrottet. In den Bügelfallen waren die Körper von den Fliegen fast aufgefressen worden und schon so gut wie eingetrocknet. Ich kämpfte den größten Teil des Tages und merkte, wie die Kleider von dem Gestank klebten. Leerte den Mülleimer hinten in der Waldgrube aus. Noch ein Eimer. Und wieder zurück, schnipp, schnipp. Es kitzelte mich im Handschuh, und ich schüttelte ein paar Fliegenlarven aus. Die Fliegen umschwärmten mein Gesicht, ließen sich überall nieder. Wenn ich wenigstens eine Mütze gehabt hätte. Eine Mülleimerfuhre nach der anderen. Weg und tief Luft holen. Immer tiefer ging es in die Tonne.
    Zum Schluss war nur noch ein grauer, klebriger Leichensaft auf dem Boden. Ich fischte noch einmal mit der Harke, und das war mein Glück, denn da lagen vier abgerissene Schwänze, zwei Kronen, und als ich näher hinsah, fand ich noch einen, fünfzig Öre, eine Belohnung für meine Beharrlichkeit.
    Als Letztes holte ich die Schubkarre herbei, kippte die Erde in die Tonne und drückte die Oberfläche mit dem Spaten fest. Nun war kaum noch eine Spur von dem Massaker zu sehen. Nur ein kahler Erdfleck, auf dem schon bald Gras wachsen würde.
    Das Fieber überfiel mich wieder, als ich schwindlig den Benzinkanister holte. Jetzt fehlte nur noch der letzte Schritt.
    Die Leichengrube im Wald war überfüllt. Die letzten Eimer waren auf dem sonnentrockenen Gestrüpp gelandet. Die Fliegen fuhren in dicken Wolken auf, ließen sich aber gleich wieder wie eine Wolldecke nieder und legten ihre Eier in die sonnenwarme verrottete Grube. Der Geruch war schlimmer, als ich ihn mir je hätte vorstellen können, ein Hefeteig des Todes, aufgedunsen durch Milliarden von Mikroben, die sich in ihm fortpflanzten.
    Ich lief erneut davon, um Luft zu schnappen. Schraubte den Deckel vom Kanister und schnupperte an der Öffnung. Das Benzin reinigte die Nase, süß und kräftig. Ich konzentrierte mich auf den letzten Streich, den einzigen, der noch zu tun war, bevor alles geschafft sein würde. Bevor ich alles hinter mir lassen und vergessen konnte.
    Vom Schwindel gepackt kippte ich das Benzin über die Leichen, begoss sie, tränkte sie. Wie eine heilige Handlung, wie ein Versuch, etwas zu sühnen, etwas zurechtzurücken. Ich entzündete einen Span und warf ihn. Mit einem tiefen, sorgenvollen Husten begann der Haufen zu brennen. Eine fast unsichtbare Flamme erhob sich steif und knisternd. Die nächststehenden Büsche wurden angesengt, das Gestrüpp auf dem Boden fing Feuer. Ich trat die Flammen aus. Da merkte ich, dass ich mir Benzin auf die Hosenbeine gespritzt hatte, die Flammen kletterten bis zu den Kniekehlen hoch. Mit einem Schrei warf ich mich hin und riss mir die Hose vom Leib. Sie verhakte sich an den Schuhen, die auch brannten. Fieberhaft trat ich sie von den Füßen und löschte die Flammen, indem ich mit den Handflächen draufschlug.
    An der Grube hatte das Feuer das trockene Bodengestrüpp erfasst. Die nächststehenden Büsche standen bereits in Flammen. Ich

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