Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
Vom Netzwerk:
U-Store, sagte sich Crystal: »Scheiß auf De Lisles Anweisung von wegen keine Taxis.« Er holte den Koffer aus dem U-Store, ging zurück zum Bahnhof und nahm das erste Taxi am Halteplatz.
    Am Steuer saß eine Frau, und als Crystal sich hinten ins Auto setzte und nicht auf den Beifahrersitz, schniefte sie betont langsam. Mit ihrer unförmigen Figur und dem massigen, mit orangefarbenem Flaum bedeckten Schädel wirkte sie eher abschreckend. »Vorne ist noch ’ne Menge Platz.«
    »Ich bin müde.«
    Ihre Stimme war ein nikotingeschwängertes Krächzen. »Ich auch, Süßer, ich auch, aber ich sag immer, schlafen können wir, wenn wir tot sind.«
    Crystal schaltete auf Durchzug. Den Arm schützend um De Lisles Koffer gelegt, der dicht an seinem Oberschenkel auf dem Sitz stand, starrte er auf die mit Tau benetzten Autos, die auf beiden Seiten der Spencer Street entlangrauschten. Es juckte ihn in den Fingern, den Koffer zu öffnen, doch er war verschlossen und Crystal hatte keinen Schlüssel.
    »Sind Sie Pilot? Steward? Sie wissen ja, was man über Stewards so sagt«, und sie fing an zu keuchen, offensichtlich ihre ganz persönliche Art zu lachen.
    Crystal betrachtete die Taxifahrerin genauer. Ihr Kopf erinnerte vage an einen Ballon, der von der niedrig stehenden Morgensonne angestrahlt wurde. Crystal hielt den Koffer noch enger an sich gepresst.
    »Ich hab gefragt, was Sie machen«, sagte sie.
    Crystal wandte den Blick von ihr ab. Sie hatte sich wohl länger nicht gewaschen; er kurbelte das Fenster ein wenig herunter.
    »Haben Sie Ihre Zunge verschluckt?«
    Das Taxi hielt an der Kreuzung King Street. An dem karierten Koffer hing ein Kofferanhänger aus schwarzem Leder. Crystal fischte ein Kärtchen aus seiner Tasche, drehte es um und schrieb Mr. Huntsman, Reriki Resort darauf, in Druckbuchstaben, dann schob er das Kärtchen in den Kofferanhänger.
    Huntsman. So ein Quatsch. Crystal war versucht, die Karte wieder herauszuziehen und De Lisle draufzuschreiben. Aber dann würde De Lisle wissen, dass er ihm auf die Schliche gekommen war.
    »Ich frag noch mal — haben Sie Ihre Zunge verschluckt?«
    Crystal sah keinen Grund, sich dem Gequatsche auszusetzen, und gab es der Fahrerin zu verstehen.
    »Einige Leute glauben eben, dass ihre Scheiße nicht stinkt.«
    Crystal zwang sich zur Ruhe. Sag nichts, ermuntere sie nicht im Geringsten. Er spürte, wie die Räder des Taxis über die Straßenbahnschienen knallten. Ein paar Minuten später rutschte er gegen die Tür. Begleitet von einem schwachen Quietschen der Reifen, war der Wagen nach links abgebogen, in die Williams Street, und die Fahrerin gab jetzt Gas. In Gedanken hakte er die Route ab: den Vic Market umfahren, rechts in die Flemington Road einbiegen, dann wieder rechts auf den Tullamarine Freeway. Er starrte auf die Autos und Häuser, ohne sie wahrzunehmen. Crystals ganzer Kummer war auf De Lisle zurückzuführen und angefangen hatte es in einem Befragungsraum, der wie jeder andere Befragungsraum ausgesehen hatte: funktional, spärlich möbliert, eng und öde, als wäre jede Unwahrheit, jedes Gefühl von Feigheit, jedes Geständnis, als wäre alles, was sich hier abgespielt hatte, ständiger Bestandteil der Luft und der Ausstattung geworden ...
    Neben De Lisle waren noch andere im Raum: ein älterer Beamter der Bundespolizei, ein Senator, eine Stenotypistin, zwei Griesgrame in Anzügen. De Lisle begann mit der Befragung:
    »Sie mögen die Tropen, nicht wahr, Louis?«
    Crystal wusste sofort, worum es ging. Er sah De Lisle direkt an, sah ihm direkt in die Augen, kleine Augen, die hinter einem Blinzeln Schutz suchten. »Mein Job bringt mich dorthin.«
    Der Bundespolizist beugte sich nach vorn, ein durch und durch charmanter Kerl, ganz Lächeln, nur dass es das Leichenbitterlächeln eines Beerdigungsunternehmers war. »Wir sprechen nicht über Ihren Scheißjob. Wir sprechen über eine andere Art von Reisen. Urlaubsreisen.«
    »Entschuldigung ... wie war noch mal die Frage?«, sagte Crystal.
    Der Bundespolizist reagierte nicht darauf und blätterte stattdessen in einer Akte, die vor ihm auf dem Tisch lag. »Sie sind Single?«
    Crystal schwieg.
    »Ich bitte um Verzeihung — ich sehe gerade, dass Sie verheiratet waren, aber seit einigen Jahren geschieden sind. Keine Kinder, nehme ich an?«
    Crystal schüttelte unmerklich den Kopf.
    »Aber Sie haben doch eine Freundin?«, fragte De Lisle daraufhin.
    »Ist das ein Verbrechen?«, erwiderte Crystal mit einem Achselzucken.
    »Eine

Weitere Kostenlose Bücher