Portland Head Light
dass er bei Cameron sehr wohl aus dem Nähkästchen geplaudert hatte, und das aus freien Stücken. War das nun gut oder schlecht?
„Du lockst mich auch aus meinem Schneckenhaus“, murmelte Dominic schließlich und warf Cameron einen nachdenklichen Blick zu. „Ich weiß nicht, ob ich das gut finde.“
Cameron erwiderte seinen Blick und schien zu überlegen, was er antworten sollte. Schlussendlich sagte er nur ein Wort. „Dito.“
Das half ihm nun auch nicht weiter. Obwohl, ein wenig tat es das schon, denn so wusste er wenigstens, dass er mit seiner völlig auf dem Kopf stehenden Gefühlswelt nicht alleine war. Dominic seufzte, rieb sich dabei die müden Augen und zuckte danach unschlüssig mit den Schultern. „Und was machen wir nun mit der Tatsache, dass wir uns nicht egal sind?“
Cameron stützte sich mit den Ellbogen auf den Knien ab und legte sein Kinn in die Hände. „Wir könnten das jetzt natürlich lang und breit ausdiskutieren...“ Cameron machte eine abwartende Pause und Dominic verzog das Gesicht, worauf sein Wirbelwind nickte. „Genau das denke ich auch. Daher würde ich vorschlagen, dass wir ins Bett gehen und versuchen, noch ein paar Stunden Schlaf zu kriegen. Oder hast du einen besseren Vorschlag?“
„Und dann?“, hakte er nach, als Cameron ihn fragend ansah.
„Dann könnten wir immer noch darüber reden, wenn du das willst, oder aber, wir lassen das Ganze einfach auf uns zukommen. Das wäre übrigens meine Antwort dazu, denn darüber reden werden wir auch so noch genug, das weißt du.“
Dominic nickte. Ja, das wusste er. Sie konnten schlecht von Null auf Hundert in eine Beziehung starten. Beziehung. Allein das Wort bescherte ihm eine Gänsehaut. Er hatte nichts gegen Beziehungen an sich, aber er selbst war eben am liebsten für sich. Dass Cameron schon seit Wochen bei ihm wohnte, den Gedanken ignorierte Dominic dabei geflissentlich. Sein hektischen Leben auf der Rennbahn war definitiv einfacher gewesen, als diese Nähe und Zweisamkeit, die er seit Mitte Dezember mit Cameron Salt hatte. Dominic hatte keine Ahnung, ob er damit auf Dauer klarkommen würde.
- 7. Kapitel -
Mein lieber Junge,
'Würdest du dein Leben opfern, um ein anderes zu retten?'
Diese Frage ist seltsam, nicht wahr? Besonders, weil sie von mir kommt. Aber bis zu jenem furchtbaren Tag, an dem dein Vater sich eben diese Frage stellen musste, ist sie mir nie zuvor in den Sinn gekommen. Warum hätte sie das auch tun sollen?
Ich kann dir keine Erklärung dafür geben, warum ich vorher nicht erkannte, dass mit mir irgendetwas nicht stimmte. Ich kann dir nur sagen, dass es so war. Ich wünschte, ich könnte dir mehr erzählen, damit du alle Antworten erhältst, die dir zustehen, aber das geht nicht. Ich habe einfach nicht erkannt, dass ich krank war, und dann war es zu spät.
Meine Ärzte sagen, ich würde mich selbst bestrafen, indem ich mir die Schuld gebe, und sie haben Recht. Das tue ich. Und ich tue es, weil es richtig ist. Dabei gibt es laut meinen Ärzten rein gar nichts, wofür ich mich bestrafen müsste. Vom rein psychologischen Standpunkt aus gesehen, konnte ich nichts dagegen tun, sagen sie. Doch wie soll ich ihnen das glauben? Wie könnte ich mich vor dich hinstellen und behaupten, ich hätte nichts gegen den Wahnsinn in meinem Kopf tun können? Ich werde mit dieser Schuld leben bis ich sterbe, und ich lebe lieber mit meiner Schuld, als mit einer erbärmlichen Lüge.
Es gibt Dinge, über die redet man nicht, heißt es. Man schweigt sie tot oder verbiegt die Details so, dass sie ins richtige Licht gerückt werden. Oder man lügt gleich ganz. Das haben die Menschen schon immer so gehalten und deswegen existiert unsere Spezies auch noch. Das klingt vielleicht etwas übertrieben, aber ich glaube das wirklich. Stell' dir vor, jeder Politiker und jeder Mensch würde nur noch die Wahrheit sagen – die Welt würde sich mit Müh' und Not noch eine Woche halten, wenn überhaupt, bevor wir uns gegenseitig in die Steinzeit zurück bomben.
An sich ist es keine schlechte Sache – lügen, meine ich. So eine Notlüge kann Menschen retten und solange es nur dabei bleibt, habe ich nie etwas dagegen gehabt. Aber Lügen, die verletzen, wirklich und ernsthaft, die sollten nicht sein. Sie haben vor allem einen ganz entscheidenden Nachteil, denn diese richtigen Lügen fallen einem eines schönen Tages auf die Füße. Jede auf eine andere Art und Weise. Immer. Das ist so und dann wird es sehr oft auch sehr hässlich. Eine
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