Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Porträt eines Süchtigen als junger Mann

Porträt eines Süchtigen als junger Mann

Titel: Porträt eines Süchtigen als junger Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Clegg
Vom Netzwerk:
Randbemerkungen von Katherine; ich hüte sie wie Museumsstücke.
     
    Hin und wieder hat jemand Koks oder Acid, aber meistens halten wir uns rund um die Uhr an Gras. Ian hat eine rote Bong von Graphics, die er reinigt und putzt und streichelt wie ein Haustier. Ich habe einen ständigen Vorrat in meinem Zimmer und rauche aus einer kurzen Plastikbong und höre Ricky Lee Jones und Bob Dylan, und wenn ich nicht lese, starre ich einfach auf den rotbraun gemusterten Wandbehang an der Decke. Wir fahren die Ostküste rauf und runter – Philadelphia, Baltimore, Washington, Roanoake, Boston, New York –, um die Grateful Dead, Dylan, Neil Young zu sehen. Vor allem Ian und ich und vor allem Dylan.
     
    Brooks ist der Einzige, der eine feste Freundin hat, Shirley, die in Virginia zur Schule geht. Ich schlafe regelmäßig mit zwei oder drei verschiedenen Mädchen – und bei allen verzieht Ian nur angewidert das Gesicht.
Herrgott, Billy, was machst du denn?,
sagt er immer, wenn gegen Ende des Abends feststeht, wen ich mit aufs Zimmer nehme. Jake hat Mädchen in Baltimore oder im Ort, die nicht studieren. Wir lernen sie nie kennen. Ian schläft, soweit ich weiß, nur einmal mit einem Mädchen, und zwar einer, mit der ich ein paarmal geknutscht habe und in die ich, wie er weiß, verknallt bin – und er macht das auf dem Rücksitz eines Wagens, auf der Rückfahrt von Boston, während Brooks und ich vorne sitzen. Wir bekommen alles mit. Ich gehe in die Luft, und er behauptet, er hat geschlafen und nicht gemerkt, dass sie auf ihm zugange war.
     
    Eines Abends hebt Jake Geld am Automaten ab und bemerkt eine Fehlbuchung zu seinen Gunsten, die ihn auf die Idee bringt, ein neues Fass Bier zu kaufen und ein paar Leute zu uns einzuladen. Das tun wir. Überm Trinken wird es spät, und irgendwem fällt auf, dass Brooks nicht bei uns ist. Er muss auf dem Campus sein, und wir beschließen, ihn zu suchen. Ian fährt, ich sitze neben ihm, Jake hinten. Wir halten am Newt’s, einer düsteren Kaschemme, die mit allen möglichen Specials die Studenten anlockt. Bier für einen halben Dollar, damit sie reinkommen, sich betüteln und anfangen, Schnäpse zu bestellen. Wir bestellen Schnaps. Tequila. Ian ist uns immer ein paar Gläser voraus, und Jake und ich bemühen uns, Anschluss zu halten. Als sie dichtmachen, stellen wir die Hocker und Stühle hoch und bekommen noch Gratisdrinks dafür. Wir sind auf derselben Alkwellenlänge, haben alle drei denselben lodernden Kometen in uns und beschließen, dass wir jetzt dem Mädchenwohnheim einen Besuch abstatten sollten. Brooks suchen. Ihn da rausholen. Also brettern wir los. Ian lässt »Idiot Wind« laufen und grölt den Text mit:
Du bist ein Idiooot, Babe, es ist ein Wunder, dass du überhaupt atmen kannst.
Beim Singen wirft er sich immer wieder nach vorn gegen das Steuer, und seine schwarzen Haare und roten Augen funkeln dämonisch im grünen Schein der VW -Armatur.
     
    Es ist mindestens zwei, als wir ankommen. Wir sind sturzbesoffen vom Tequila und stehen gefährlich unter Strom. Unser Atem wölkt und schimmert in der eiskalten Märzluft, und wir ziehen vom Wagen zum Wohnheim wie ein zu jeder Untat entschlossenes dreiköpfiges Monster. Auf Zehenspitzen laufen wir durch die Gänge, Ian greift sich unterwegs einen Feuerlöscher. Er tut, als ob er uns damit vollsprüht, und auf einmal geht er wirklich los. Herrliche weiße Wolken quellen aus dem roten Behälter hervor, in dem Moment das Erstaunlichste, was ich jemals gesehen habe. Ian hält seine neue Waffe in die entgegengesetzte Richtung, drückt den Griff zusammen, und wieder sprießt die Wunderwolke majestätisch langsam in den Gang hinein. Jake und wollen das auch haben, und wir rennen die Treppe hinauf und schauen, ob oben noch zwei Löscher sind. Jake findet einen, aber ich irgendwie nicht. Er und Ian besprühen sich gegenseitig, besprühen die Gänge, die Türen, den Boden, ein Mädchen, das schläft. Wir verlieren uns, bleiben dem Gefühl nach aber durch ein unsichtbares elektrisches Band miteinander verbunden und in Rufweite.
     
    Ich komme in einen Aufenthaltsraum, in dem jemand eine fast fertige Patchworkdecke hat liegen lassen. Ein gruftiges Mosaik aus blauen und roten Stoffvierecken. Es erinnert mich an meine Mutter und die Flickendecke, die sie an der Highschool genäht hat. Ohne nachzudenken hebe ich die Decke auf und nehme sie mit auf den Gang. Da höre ich auch schon Ian nach mir rufen.
Komm, Billiiieee, komm.
Zwischendurch ruft er

Weitere Kostenlose Bücher