Portrat in Sepia
mich zu dem Schlafzimmer, das ich mit Diego
teilte, und setzte mich zitternd aufs Bett, während mir die
Tränen die Wangen hinabliefen und meine Brust und das
Nachthemd benetzten. In den folgenden Minuten oder Stunden
hatte ich Zeit, über das Geschehene nachzudenken und meine
Machtlosigkeit zu erkennen. Dies war kein fleischliches
Abenteuer gewesen; was Diego und Susana vereinte, war eine
erprobte Liebe, bereit, jedes Risiko zu wagen und jedes etwa
auftauchende Hindernis niederzureißen wie ein Strom glühender
Lava. Weder Eduardo noch ich zählten dabei, wir waren nichts,
nur Insekten in der Unendlichkeit des leidenschaftlichen
Erlebens dieser beiden. Ich mußte es vor allem meinem
Schwager erzählen, entschied ich, aber als ich mir vorstellte,
was für eine Wunde das diesem guten Menschen zufügen
würde, wurde mir klar, daß ich nicht den Mut hätte, es zu tun.
Eduardo würde es eines Tages selbst entdecken oder, wenn er
Glück hatte, es nie erfahren. Vielleicht argwöhnte er etwas, wie
vorher ich, wollte es aber nicht bestätigt finden, um das
zerbrechliche Gleichgewicht seiner Illusionen ungestört zu
erhalten: es ging immerhin um seine drei Kinder, seine Liebe zu
Susana und den monolithischen Zusammenhalt des
Familienclans.
Diego kam irgendwann in der Nacht zurück, kurz vor
Morgengrauen. Im Licht des Öllämpchens sah er mich auf dem
Bett sitzen, vom Weinen hochrot im Gesicht, unfähig, ein Wort
herauszubringen, und glaubte, ich sei wieder von einem meiner
Albträume aufgewacht. Er setzte sich neben mich und versuchte,
mich an die Brust zu ziehen, wie er es bei der Gelegenheit
immer tat, aber ich wich ihm instinktiv aus und muß ihn so
feindselig angesehen haben, daß er sich sofort wieder
zurückzog. Wir starrten uns an, er verständnislos und ich voller
Abscheu, bis sich unabweisbar die Wahrheit wie ein Drache
zwischen den beiden Betten niederließ.
»Was wollen wir jetzt machen?« war das einzige, was ich
stammeln konnte.
Er versuchte weder zu leugnen noch sich zu rechtfertigen, er
bot mir mit einem stählernen Blick die Stirn, bereit, seine Liebe
mit allen Mitteln zu verteidigen, und wenn er mich umbringen
müßte. Da brach der Damm aus Stolz, Erziehung und guten
Manieren, der mich durch Monate voller Enttäuschung gehemmt
hatte, und die stummen Vorwürfe verwandelten sich in eine
endlose Lawine von Beschuldigungen, die er beherrscht und
wortlos, aber auf jedes Wort achtend, aufnahm. Ich warf ihm
alles an den Kopf, was mir nur einfiel, und zum Schluß flehte
ich ihn an, alles doch einmal zu überdenken, ich sagte ihm, ich
sei bereit, zu verzeihen und zu vergessen, wir würden weit
fortgehen, irgendwohin, wo niemand uns kannte, und ganz neu
anfangen. Als mir die Worte und die Tränen ausgingen, war
draußen heller Tag. Diego überwand die Distanz, die uns
trennte, er setzte sich neben mich, nahm meine Hände und
erklärte mir ruhig und ernst, daß er Susana seit vielen Jahren
liebe und daß diese Liebe das Wichtigste in seinem Leben sei,
wichtiger als die Ehre, die Familie und die Rettung seiner
eigenen Seele; er könnte versprechen, daß er sich von ihr
trennen würde, um mich zu beruhigen, aber das wäre ein
falsches Versprechen. Er habe es versucht, als er nach Europa
ging und sich sechs Monate von ihr fernhielt, aber es hätte
nichts genützt. Er sei sogar so weit gegangen, mich zu heiraten,
um dadurch das schreckliche Band zu zerreißen, das ihn mit
seiner Schwägerin verknüpfte, aber die Ehe, weit davon entfernt,
ihn in seinem Entschluß zu stärken, hatte ihm die Dinge nur
leichter gemacht, weil sie Eduardos Verdacht und den der
Familie beschwichtigt hatte. Aber er sei froh, daß ich die
Wahrheit endlich entdeckt hätte, denn es belaste ihn, mich zu
betrügen; er habe mir nichts vorzuwerfen, beteuerte er, ich sei
eine sehr gute Ehefrau, und es tue ihm wirklich leid, daß er mir
nicht die Liebe geben könne, die ich verdiente. Er habe sich wie
ein Schuft gefühlt jedesmal, wenn er von meiner Seite
verschwunden sei, um sich mit Susana zu treffen, es werde eine
Erleichterung sein, mich nicht mehr belügen zu müssen. Jetzt sei
die Situation klar.
»Und Eduardo, zählt der gar nicht?« fragte ich. »Was
zwischen ihm und Susana vorgeht, ist ihre Sache. Die
Beziehung zwischen uns beiden, darüber müssen wir jetzt
entscheiden.«
»Du hast dich schon entschieden, Diego. Ich habe hier nichts
zu schaffen, ich werde nach Hause zurückgehen«, sagte
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