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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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zuckersüße Mischung aus Zuneigung und Mitleid, die so
gerne in Kalendern mit verzückten Müttern an den Wiegen ihrer
Säuglinge dargestellt werde, sei entschuldbar, wenn man sie
schutzlosen Tieren zukommen lasse wie etwa neugeborenen
Kätzchen, aber unter menschlichen Wesen sei sie eine riesige
Dämlichkeit. In unserer Beziehung hatte es immer einen
ironischen, unverfrorenen Ton gegeben; wir berührten uns
selten, außer in meiner Kindheit, wenn wir im selben Bett
geschlafen hatten, und im allgemeinen behandelten wir uns mit
einer gewissen Brüskheit, die für uns beide sehr bequem war.
Ich nahm manchmal Zuflucht zu einer etwas spöttischen
Schmeichelei, wenn ich sie zu etwas herumkriegen wollte, und
es gelang mir auch immer, denn meine wunderbare Großmutter
wurde ganz schnell weich, mehr, um Zuneigungsbeweisen zu
entgehen, als aus Charakterschwäche. Dona Elvira dagegen war
ein einfaches Geschöpf, die ein sarkastischer Ton, wie ihn meine
Großmutter und ich gern anschlugen, gekränkt hätte. Sie war auf
natürliche Weise liebevoll, sie na hm meine Hand und hielt sie in
den ihren, küßte mich, umarmte mich, bürstete mir gern das
Haar, verabreichte mir selbst die Stärkungsmittel aus
Knochenmark und Stockfisch, machte mir Kampferumschläge
gegen den Husten und ließ mich das Fieber ausschwitzen, indem
sie mich mit Eukalyptusöl einrieb und in angewärmte Decken
hüllte. Sie kümmerte sich darum, daß ich ordentlich aß und viel
ruhte, abends gab sie mir die Opiumtropfen und saß betend an
meinem Bett, bis ich eingeschlafen war. Jeden Morgen fragte sie
mich, ob ich Albträume gehabt hätte, und bat mich, sie ihr genau
zu beschreiben, »denn wenn man über diese Dinge spricht,
verliert man die Angst davor«, sagte sie. Ihre Gesundheit war
nicht die beste, und ich weiß nicht, woher sie die Kraft schöpfte,
mich zu pflegen und mir beizustehen, während ich mich
schwächer stellte, als ich war, um das Idyll mit meiner
Schwiegermutter zu verlängern. »Sieh nur zu, daß du recht bald
wieder auf die Beine kommst, Töchterchen, dein Mann braucht
dich an seiner Seite«, sagte sie immer wieder besorgt, obwohl
Diego ihr ständig versicherte, wie vorteilhaft es doch sei, wenn
ich den Rest des Winters im großen Haus verbringen könne.
Diese Wochen unter ihrem Dach, in denen ich mich von der
Lungenentzündung erholte, waren eine außerordentliche
Erfahrung für mich. Die sanfte, bedingunglose Zuneigung
meiner Schwiegermutter wirkte wie ein Balsam und heilte mich
nach und nach von dem Wunsch zu sterben und von dem Groll,
den ich gegen meinen Mann hegte. Ich konnte Diegos und
Susanas Gefühle tatsächlich verstehen und die unerbittliche
Schicksalhaftigkeit des Geschehenen; ihre Leidenschaft mußte
eine erdhafte Kraft sein, ein Erdbeben, das sie rettungslos
mitriß. Ich stellte mir vor, wie sie gegen diese Verlockung
gekämpft hatten, ehe sie ihr verfielen, wie viele Widrigkeiten sie
überwinden mußten, um Zusammensein zu können, wie
schrecklich Tag für Tag die Qual sein mußte, wenn sie der Welt
ein geschwisterliches Verhältnis vortäuschten und doch im
Innern brannten vor Verlangen. Ich fragte mich nicht länger,
wieso sie sich nicht über die Lust hinwegsetzten und wieso ihr
Egoismus sie hinderte, die Zerstörung zu sehen, die sie unter
den ihnen am nächsten stehenden Menschen anrichten konnten,
weil ich erriet, wie innerlich zerrissen sie waren. Ich hatte Diego
verzweifelt geliebt, ich konnte verstehen, was Susana für ihn
fühlte - hätte ich unter den gleichen Umständen gehandelt wie
sie? Ich nahm zwar an, das hätte ich nicht, aber dessen sicher
war ich keinesfalls. Auch wenn mein Scheitern augenscheinlich
war, konnte ich mich nun vom Haß befreien, Abstand gewinnen
und mich in die Haut der übrigen Protagonisten dieses Unglücks
versetzen; mein Mitleid mit Eduardo war fast stärker als mein
eigener Kummer, er hatte drei Kinder und liebte seine Frau, für
ihn wäre die Aufdeckung dieses Treubruchs schlimmer, als sie
für mich war. Auch um meines Schwagers willen mußte ich
Schweigen bewahren, aber das Geheimnis drückte mich nicht
mehr wie ein Mühlstein, mein Abscheu vor Diego hatte sich
gemildert unter den Händen von Dona Elvira. Meine
Dankbarkeit gegenüber dieser Frau verband sich mit der
Achtung und der Zuneigung, die ich von Anfang an für sie
empfunden hatte, ich hängte mich an sie wie ein
Schoßhündchen; ich brauchte ihre Gegenwart, ihre Stimme, ihre

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