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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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einfacher als am
Tage, wenn ein Dutzend Augen uns sahen, ich mußte nur wach
bleiben und den Wein zum Abendessen und die Opiumtropfen
vermeiden. Eines Nachts Mitte Mai schlüpfte er aus dem Bett,
und im schwachen Licht der Öllampe, die wir immer vor dem
Kreuz am Brennen hielten, sah ich, wie er sich Hose und Schuhe
anzog, nach dem Hemd und dem Jackett griff und hinausging.
Ich wartete ein paar Sekunden, dann stand ich hastig auf und
folgte ihm, während das Herz mir fast die Brust sprengte. In
dem dunklen Haus konnte ich ihn nicht gut sehen, aber als er auf
den Hof hinaustrat, zeichnete sich seine Gestalt deutlich im
Schein des Vollmonds ab, der eben durch die Wolken brach und
gleich wieder hinter ihnen verschwand. Ich hörte die Hunde
bellen und dachte, wenn sie jetzt herbeirennen, verraten sie
mich, aber sie kamen nicht, und ich begriff, daß Diego sie schon
vorher angeleint hatte. Er ging jetzt schnell um das Haus herum
und wandte sich zu einem der Ställe, in denen die Reitpferde der
Familie standen, die nicht für die Feldarbeit verwendet wurden,
hob den Sperrbalken von der Tür und trat ein. Ich wartete im
schwarzen Schatten einer Ulme wenige Meter von den
Pferdeställen entfernt, barfuß und im dünnen Nachthemd, und
wagte nicht einen Schritt weiter, denn Diego konnte ja gleich
herausgeritten kommen - aber wie sollte ich ihm dann folgen?
Einige Zeit verging, die mir sehr lang vorkam, und nichts
geschah. Plötzlich sah ich ein Licht durch den Spalt der nicht
ganz geschlossenen Tür schimmern, vielleicht von einer Kerze
oder einer kleinen Lampe. Mir klapperten die Zähne, und ich
zitterte krampfhaft vor Kälte und Furcht. Ich war drauf und
dran, mich geschlagen zu geben und wieder ins Bett zu gehen,
als ich eine andere Gestalt erblickte, die sich von der Ostseite
her näherte - es war deutlich zu erkennen, daß sie nicht von dem
großen Haus her kam -, ebenfalls den Stall betrat und die Tür
hinter sich zuzog. Ich ließ fast eine Viertelstunde vergehen, bis
ich zu einem Entschluß kam, dann zwang ich mich, ein paar
Schritte zu gehen, ich war ganz erstarrt und konnte mich kaum
bewegen. Ich näherte mich zaghaft dem Stall - wie würde Diego
reagieren, wenn er entdeckte, daß ich ihm nachspionierte, aber
es gab kein Zurück. Ich stieß sacht die Tür auf, die ohne
Widerstand nachgab, der Sperrbalken befand sich ja draußen,
weshalb sie von innen nicht zu verschließen war, und so konnte
ich wie ein Dieb durch die schmale Öffnung eindringen.
Drinnen war es dunkel, aber hinten flimmerte ein winziges
Licht, und ich schlich auf Zehenspitzen und fast ohne zu atmen
darauf zu - unnötige Vorsicht, denn das Stroh dämpfte meine
Schritte, zudem waren mehrere Tiere aufgewacht, und ich hörte
sie rumoren und in ihren Futterkrippen schnobern. In dem
Ungewissen Licht einer Stallaterne, die an einem Balken hing
und in dem schwach durch die Bretterwände streichenden
Luftzug ein wenig schaukelte, sah ich sie. Sie hatten Decken
über einen Strohhaufen gelegt, sich ein Nest gebaut, und darauf
lag sie auf dem Rücken, mit einem schweren, vorn geöffneten
Mantel bekleidet, unter dem sie nackt war. Sie hatte Arme und
Beine weit gespreizt, den Kopf zur Schulter gewandt, das
schwarze Haar verdeckte ihr Gesicht, und ihre Haut schimmerte
golden in der zarten orangenen Helle der Laterne. Diego, nur
mit dem Hemd bedeckt, kniete vor ihr und leckte ihr Geschlecht.
In Susanas Haltung war so viel unbedingte Hingabe und in
Diegos Bewegungen so viel zurückgehaltene Leidenschaft, daß
ich augenblicklich begriff, wie fern ich dem allen war. Im
Grunde existierte ich gar nicht, ebensowenig Eduardo und die
drei Kinder, niemand sonst, nur sie beide, die sich
unvermeidlich liebten. Niemals hatte mein Mann mich so mit
Zärtlichkeit überschüttet. Es war leicht zu erkennen, daß sie
schon tausendmal so zusammengewesen waren, daß sie sich seit
Jahren liebten; mir dämmerte endlich, daß Diego mich
geheiratet hatte, weil er eine Tarnung brauchte, um sein
Verhältnis mit Susana abzuschirmen. Ganz schnell fügten sich
die einzelnen Teile dieses qualvollen Puzzles zusammen, jetzt
konnte ich mir seine Gleichgültigkeit mir gegenüber erklären,
seine Ausflüge immer dann, wenn Susana ihre Migräne hatte,
sein gespanntes Verhältnis zu seinem Bruder, die heuchlerische
Art, die er gegenüber dem Rest der Familie an den Tag legte,
und wie er es fertigbrachte, ihr immer nahe zu sein, sie zu
berühren -

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