Portugiesische Eröffnung
geschrieben.
Nicht gerade die Antwort, die ich mir gewünscht hatte, aber ich konnte damit leben. Ich loggte mich aus und ging wieder zur Theke, wo Graça auf mich wartete. »Tut mir leid, dass ich eben so unfreundlich zu dir war«, entschuldigte ich mich. »Es war eine gute Idee, im Netz nach al-Rashidi zu suchen.«
Ihr Gesicht wirkte ein wenig weicher. Sie reckte den Hals und spähte zur Tür. »Was jetzt?«
Wir konnten nur Zeit totschlagen, bis Sergej antwortete, dachte ich, und darauf hoffen, dass er etwas Nützliches über Valsamis liefern würde. »Ich möchte, dass du mich in Rahims Wohnung bringst.«
»Sie glauben doch wohl nicht diesen ganzen Kissinger-Scheiß«, hatte Andy Sproul gesagt, als er den restlichen Ksara-Wein auf ihre drei Gläser verteilte.
Morrow war im Rahmen seiner jährlichen Tour durch den Nahen Osten in Beirut zu Besuch. Er, Sproul und Valsamis hatten in einem der Restaurants in der Nähe der Botschaft ein spätes Abendessen eingenommen.
Der Goldjunge, wie sie Sproul in Beirut nannten, beeindruckte Morrow nicht sonderlich. Dumm und hoffnungslos naiv, hatte er gedacht, aber keine Bedrohung, jedenfalls noch nicht. Sproul war wie ein weißer Teenie, der den Slang beherrschte und sich ins Getto wagte. Morrow hatte erwartet, die Araber würden ihn durchschauen, doch bis jetzt waren sie auf ihn hereingefallen.
»Ich glaube, dass wir auf unseren Vorteil bedacht sein müssen«, antwortete Morrow.
»Damit meinen Sie wohl die siebenhundert Milliarden Barrel Öl, auf denen unsere Nachbarn im Golf hocken«, konterte Sproul.
Morrow lächelte. »Vielleicht möchten Sie die Jungs zu Hause in Wichita anrufen und ihnen sagen, sie sollen schon mal Holz für den Winter hacken.«
Sproul lehnte sich zurück und hob das Weinglas, als wollte er einen Toast ausbringen. »Touché«, sagte er, wenn auch mit leisem Spott.
»Alles hat seinen Preis«, erinnerte ihn Morrow. »Man vergisst das leicht, aber es ist wahr.«
Sproul hob das Glas an die Lippen und trank es aus. »Viele Libanesen glauben, wir wollten die Syrer ins Land holen. Dass alles Teil eines größeren Plans sei, um die Palästinenser aus Israel zu vertreiben und ihnen stattdessen den Libanon zu geben.«
Morrow zuckte mit den Achseln. »Sie haben ein Recht auf eine eigene Meinung, oder?« In der Hoffnung, das Thema wechseln zu können, wandte er sich an Valsamis. »Wie ich höre, haben Sie in Amal etwas Wertvolles gefunden. Einen Rechtgläubigen, wie es heißt.«
»Friede und Vaterland und so weiter«, bestätigte Valsamis.
Morrow nickte. »Die Rechtgläubigen sind am nützlichsten.«
»Und am gefährlichsten«, fügte Sproul hinzu.
Dick Morrow saß im Dunkeln und lauschte auf die Geräusche im Haus, das Surren der Heizung, das Plätschern des Regens in der Traufe. Sie sind alle hier, hörte er seinen Vater sagen. Es waren die letzten Worte des alten Mannes gewesen, als ihn der Tod schon am Wickel hatte. Sie sind alle hier.
Morrows Mutter hatte ihre Hand auf sein papierenes Handgelenk gelegt, verhalten gelächelt und geflüstert: Ja, Liebster, wir sind alle hier. Doch er hatte etwas anderes gemeint, das wusste Morrow genau. Er sah die Geister, die in den dunklen Winkeln des Zimmers warteten: den deutschen Jungen, den sein Vater in Belleau Wood mit einem Bajonett getötet hatte; seinen besten Freund Jack Harrison, der in einer kleinen Kirche bei St. Mihiel qualvoll gestorben war, nachdem ihm eine deutsche Granate die Beine zerfetzt hatte.
Ja, dachte Morrow, so läuft es immer: Am Ende ist man mit ihnen allein. Und seine eigenen Geister? Die saßen noch an ihrem Stammtisch im Commodore. Bryce, Wilson und Valsamis. Dazu Andy Sproul mit seiner lächerlichen Kufiya, die zu tragen er sich angewöhnt hatte. Der die Kellner mit seinem ungekünstelten Arabisch überraschte.
Schritte im Flur, dann erschien seine Frau mit zerwühlten Haaren in der Tür. »Hat das nicht Zeit bis morgen?«
Morrow schüttelte den Kopf. »Geh wieder schlafen.«
Der Friede, den meine Mutter und ich bei unserer Rückkehr vorfanden, war nicht von Dauer. Im März griffen die Fedajin Tel Aviv an. Die Israelis überschritten die Südgrenze des Libanon, worauf Zehntausende von Flüchtlingen nach Norden in Richtung Beirut strömten. Nach der Ermordung von Tony Franjieh, dem Sohn des von den Syrern gestützten Präsidenten, flammten alte Rivalitäten wieder auf, und im Sommer 1978 hatte sich die Stadt erneut in ein Schlachtfeld verwandelt.
Meine Großeltern
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