Portugiesische Eröffnung
im Talboden, wo man Straßen für die Patrouillen gesprengt hatte. Im Süden ein ausgetrocknetes Kanalbett, das in Richtung Amman verlief, ein Überbleibsel guter amerikanischer Absichten, das seit Jahrzehnten verrottete und dessen Betonschleuse mit Gestrüpp und Gras überwuchert war. Noch ein Beweis des Scheiterns, dachte Morrow, als der Kanal unter dem Flugzeug verschwand, noch eine greifbare Erinnerung an Verschwendung und verspieltes Vertrauen.
Eine feurig rote Sonne versank am Horizont. In der Ferne, jenseits der Hügel Judäas, die Lichter von Jerusalem. Morrow gestattete sich einen Blick auf die Welt, wie sie hätte sein können, wenn sie ihren Kurs gehalten hätten. Verschwunden die schäbigen Lager von Gaza und der West Bank, Israel wiederhergestellt. Die syrische Grenze quer durch das Bekaa-Tal über das Libanon-Gebirge bis hin zum Ufer des Mittelmeers. Die Welt, wie sie immer noch sein könnte.
Kein Frieden, etwas Größeres als Frieden. Die Früchte des Krieges. Der Anfang vom Ende. Das, was Andy Sproul nicht verstanden hatte.
Zwölf Jahre, sagte sich Morrow, um zu beenden, was sie im Irak begonnen hatten. Zwölf Jahre, und diesmal würden sie nicht abwarten, bis sich die Dinge von selbst einrenkten. Die Tür des Cockpits ging auf, und der Kopilot kam zu ihm herüber.
»Satellitenanruf, Sir«, sagte er und reichte Morrow den Hörer.
»Ja?«
»Ich habe die Schwester gefunden. Emilie Delon, verstorben.«
»Weitere Verwandte?«, erkundigte sich Morrow. Selbst wenn die Schwester tot war, konnten die Briefe noch irgendwo sein.
»Ehemann, Olivier, noch am Leben. Zwei Kinder, Antoine und Marie, ebenfalls am Leben. Antoine in Paris, Marie in London. Es gibt noch ein drittes Kind, eine Nichte, die nach dem Tod ihrer Mutter von den Delons aufgezogen wurde. Nicole Blake. Sechs Jahre Haft in Frankreich wegen Urkundenfälschung. Lebt zurzeit in den französischen Pyrenäen in einer Kleinstadt namens Paziols.«
Morrow spürte, wie sein Herz einen Sprung machte. Valsamis hatte es gewusst. Er hatte wohl mitbekommen, dass Kanj in Pakistan verhaftet worden war. Und geahnt, dass Kanj ihn ans Messer liefern wollte. Darum hatte er auch darauf bestanden, ausgerechnet Nicole Blake auf Rahim Ali anzusetzen.
»Sir?« Die Stimme knisterte in seinem Ohr.
»Ja. Ich brauche den genauen Aufenthaltsort von Nicole Blake.«
Auf dem einundzwanzig Jahre alten Foto auf meinem Computerbildschirm wirkte die Zerstörung beinahe elegant. Wo einmal die Fassade der amerikanischen Botschaft gewesen war, sah man nur noch einen Wasserfall aus Trümmern, die sechs Stockwerke säuberlich weggesprengt und wie Pfannkuchen aufeinandergestapelt. Das Bild war nachts aufgenommen worden, und es wirkte geradezu theatralisch, wie die Bulldozer im Scheinwerferlicht ihre Arbeit verrichteten.
Aufräumarbeiten bei Nacht in der amerikanischen Botschaft in Beirut, April 1983, lautete die Bildunterschrift. Bei dem Bombenanschlag wurden dreiundsechzig Menschen getötet, darunter siebzehn Amerikaner. Staatsbürger bis in den Tod.
Instinktiv wählte ich aus meinen Suchergebnissen eine Internetseite aus, die zum Gedenken vom Kind eines Opfers angelegt worden war.
Es war nur eine Ahnung, doch hatte dieser Vorfall meine Mutter immerhin bewogen, endlich das Land zu verlassen.
Ich klickte auf einen Link namens FAKTEN und wartete, während die neue Seite lud. Im Grunde war es Wahnsinn, online zu gehen, aber ich hoffte, dass Valsamis nur meine E-Mails überwachte. Und selbst wenn sie mich anhand meines Computers aufspürten, hätte ich das Haus längst verlassen, bis sie hier wären.
Eine Liste erschien, auf der die Toten nach Beruf und Nationalität geordnet waren. Siebzehn Amerikaner. Ein Wachposten der Marines. Ein Journalist. Mehrere Ausbilder der Armee. Drei Angestellte von USAID. Am Ende der Liste fiel mein Blick auf einen Satz.
Das gesamte Personal der Nahost-Abteilung der US Central Intelligence Agency wurde getötet. Was natürlich nicht ganz der Wahrheit entsprach. Denn John Valsamis war noch sehr lebendig.
Valsamis hielt am Straßenrand und stellte den Motor ab. Es schneite wieder, ein letzter schwacher Protest des Winters, der zart durch die Baumkronen ins Scheinwerferlicht herabrieselte. Die Straße vor ihm verschwand hinter einer Kurve. Vierhundert Meter weiter oben zweigte Nicoles Einfahrt ab.
Valsamis schaltete die Scheinwerfer aus und trat auf die dünne Eiskruste, die den Schnee überzog. Es war schon dunkel, Himmel und
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