Poul Anderson
mehr, je weiter wir zum Stadtkern vordrangen. Es war ein seltsamer Anblick, die großen hageren Gestalten mit ihren fremdartigen Köpfen, auf denen bizarre Helme saßen. Jetzt kam mir der Zustand der Besatzung erst richtig zum Bewußtsein.
Wir schwenkten in die Siebzigste Straße ein und wanderten durch ein sauberes Viertel mit Mehrfamilienhäusern; das heißt, früher mußten hier arme Leute gewohnt haben, und hielten auf das Regierungsviertel am Ring zu. Es umfaßte nur wenige Blocks, an die sich unvermittelt große Lagerhäuser und düstere Fabriken anschlossen, zwischen denen primitive Hotels verstreut lagen. Der vereinbarte Treffpunkt war eins davon. Es hieß Rocket Haven und lag nur drei Querstraßen vom Ring entfernt. Wir betraten den schäbigen Vorraum und gingen zur Anmeldung. »Ein Zimmer für zwei Personen«, sagte ich.
»Bedaure, Mister.« Die schläfrigen Augen des Hotelangestellten nahmen mich kaum zur Kenntnis. »Alles belegt. Sie verstehen, lauter Marsier.«
»Und nun«, flüsterte Kit mit einer Grimasse, »gibt es eine unvorhergesehene Schwierigkeit.«
»Hören Sie mal«, sagte ich. »Wir kommen gerade von Des Moines und sind völlig fertig. Wir haben es schon ein paarmal anderswo versucht, aber nirgends ist was frei. Ich habe Frau und Kind bei mir, seien Sie doch menschlich!«
»Ich hab gesagt, daß wir nichts frei haben«, sagte der Mann. »Nicht mal eine Badewanne.«
Ich blickte in das Meldebuch, das vor ihm lag. Ich merkte mir den erstbesten Namen – Fred Geliert aus Duluth.
»Das ist ja ein toller Zufall. Ich sehe gerade, daß ausgerechnet hier ein alter Bekannter von mir abgestiegen ist!« Meine Stimme klang reichlich abgespannt und müde, aber ich versuchte, fröhlich zu lachen. »Mr. Geliert. Ich wollte ihn sowieso hier in der Stadt treffen. Er wird uns bestimmt aufnehmen.«
»Das ist seine Angelegenheit.« Der Angestellte zuckte die Achseln. Er blickte unbeteiligt in die Gegend – auch einer von den entmutigten Männern der Erde. »Sein Schlüssel hängt nicht hier, er wird also vermutlich oben sein.«
»Wir werden nachsehen. Und hier ...« Ich schob ihm über den Empfangstisch einige der wenigen verbliebenen Tausenddollarnoten zu. »Ich heiße Robinson. James Robinson. Ich werde Sie von oben anrufen, wenn wir uns geeinigt haben, und ich bitte Sie, meinen Namen dann neben den Gellerts zu schreiben. Ich erwarte nämlich noch einen Besucher, verstehen Sie?«
Wir kletterten drei Stockwerke hinauf und trauten uns kein Wort zu sagen, weil alles voll Marsier steckte. Meist waren es gewöhnliche Soldaten, weil die Offiziere bestimmt die besseren Hotels bewohnten. Die Soldaten waren Bauern und Jäger aus den ausgetrockneten Tiefseegebieten und den steinigen Gebirgszügen des Mars. Wir hörten ihre schwermütigen Lieder düster durch das Haus hallen.
Als ich an Fred Gellerts Tür klopfte, war niemand in der Nähe. Kit hauchte in mein Ohr: »Bist du verrückt, Dave? Er wird uns nicht reinlassen. Dadurch lenken wir nur die Aufmerksamkeit auf uns.«
»Wir müssen Reggy unbedingt hier treffen«, sagte ich mit beißender Schärfe. »Es gibt keine andere Möglichkeit. Er kann sich draußen frei bewegen, aber wir ...«
»Ja, was ist?« Eine mürrische, verschlafene Stimme war zu hören, dann öffnete sich die Tür einen Spalt.
»Was, zum Teufel, bilden Sie sich ein?«
Ich drückte die Tür auf und trat ein. Meine Pistole zielte genau auf Fred Gellerts Kopf. Kit schloß die Tür hinter uns und setzte sich auf den Bettrand, wobei sie uns mit großen Augen beobachtete.
»Keinen Laut!« drohte ich. »Ich drücke bestimmt ab, wenn ich es auch lieber vermeiden würde.«
Seine Augen verengten sich, nachdem er sich vom ersten Schrecken erholt hatte. Ein gewöhnlicher Mann, schwammig, das schüttere Haar vom Schlaf zerzaust, seine Pyjamajacke vorn über dem dicken Bauch offen. Aber er reagiert schnell. Er mußte einen scharfen Verstand besitzen.
»Sie sind Arnfeld«, sagte er.
»Ja-a«, sagte ich gedehnt. »Wir brauchen heute nacht das Zimmer. Vielleicht auch morgen noch. Es geschieht Ihnen nichts, wenn Sie keine Zicken machen. Wenn Sie noch einige Bedürfnisse erledigen wollen, tun Sie das gleich, denn fürs nächste muß ich Sie leider eine Weile fesseln.«
Ich schnürte ihn dann mit geübter Hand zusammen, wobei ich ein Hemd in Streifen riß und die Fetzen als Fesseln benutzte. Er konnte sich unmöglich selber befreien. Ich legte ihn in eine Ecke und wandte mich an Kit. Sie hatte inzwischen
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