Power and Terror
Freiheit, leben aber auch fortwährend in der Gefahr, verhaftet und verurteilt zu werden. Während meines Aufenthalts überreichten mehrere Verleger dem Staatsanwalt ein gemeinsam publiziertes Buch mit verbotenen Schriften, zum Teil auch von Inhaftierten. Sie wollten einen Prozeß gegen sich erzwingen, aber aufgrund der internationalen Aufmerksamkeit reagierte die Staatsanwaltschaft nicht. Zu solchen Aktionen greifen Menschen, die wirklich unterdrückt werden und die Bürger- und Menschenrechte bitterernst nehmen. Sie brauchen dringend Unterstützung, und nicht zuletzt von uns.
In den USA jedoch wurde der türkische Staatsterror mit Beifall bedacht. Als das Außenministerium im Jahr 2000 – nach dem (wenn man so will) Erfolg der Terrorkampagne – seinen 50
Jahresbericht über terroristische Aktivitäten vorlegte, wurde neben Algerien und Spanien die Türkei wegen ihrer »positiven Erfahrungen« im Kampf gegen den Terror hervorgehoben.
In einer akademischen Zeitschrift hat der amerikanische Botschafter in der Türkei vor kurzem betont, daß die Vereinigten Staaten, wie der (von mir beschriebene) Feldzug gegen den Terror gezeigt habe, keinen besseren Freund und Verbündeten haben könnten. Die türkische Regierung bewies ihre Dankbarkeit, indem sie als erste den Vereinigten Staaten Bodentruppen für den »Antiterrorkrieg« in Afghanistan anbot.
Mithin schützt die türkische Armee, die in den neunziger Jahren Greueltaten gegen die Kurden beging, nunmehr, wiederum mit Unterstützung der USA, die unbezweifelbar selbst ein terroristischer Staat sind, Kabul gegen die Terroristen, Das ruft hierzulande keine Kommentare hervor, obwohl die Fakten bekannt sind. Ich weiß nicht, was Orwell daraus gemacht hätte, aber wir können daraus machen, was wir wollen.
1999 löste Kolumbien die Türkei als führenden Empfänger von US-Waffenlieferungen ab. Der Türkei war es mittlerweile gelungen, die Bevölkerung in ausreichendem Maß zu
unterdrücken, was in Kolumbien noch ausstand.
In den neunziger Jahren hielt Kolumbien in der westlichen Hemisphäre den Rekord an Menschenrechtsverletzungen und erhielt insofern, gemäß der üblichen Korrelation, mehr US-Entwicklungs- und Militärhilfe als alle anderen Länder der Hemisphäre zusammengenommen.
In Kolumbien finden schreckliche Verbrechen statt. Eines wurde sogar offiziell untersucht: Die kolumbianische Armee hatte in einem Gebiet Menschen mit Kettensägen umgebracht und in Gruben geworfen. Der befehlshabende Offizier wurde daraufhin seines Postens enthoben, so daß man nicht sagen kann, es gebe keine Strafe für solche Massaker.
Bei der Ermordung von Gewerkschaftern und Journalisten 51
steht Kolumbien mittlerweile an erster Stelle. Vor einigen Jahren hatte ich das Land im Rahmen einer Mission von Amnesty International zum Schutz von Menschenrechtlern besucht. Kolumbien war das erste Ziel gewesen, weil es dort um die Menschenrechte und ihre Verteidiger am schlimmsten bestellt war.
Gegenwärtig gibt es in Kolumbien zehn bis zwanzig politische Morde am Tag. Zwei Millionen Menschen sind bereits
verschleppt oder vertrieben worden und jeden Monat kommen zehntausend dazu. Sie werden in Slums abgedrängt, wo es keinerlei medizinische oder schulische Versorgung gibt. Die Greueltaten sind untersucht worden und lassen sich in etwa achtzig Prozent der Fälle dem Militär oder den mit ihm verbundenen paramilitärischen Milizen zuweisen.
Innerhalb der letzten zehn Jahre ist indes der prozentuale Anteil der Milizen an den Verbrechen gestiegen, weil das Militär sich wieder einen guten Ruf verschaffen will. Die kolumbianische Armee hat begriffen, daß Terror sich am besten verbreiten läßt, wenn man ihn privatisiert. Man überläßt ihn, wie die Indonesier in Ost-Timor oder die Serben in Bosnien, einfach paramilitärischen Verbänden.
Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch
nehmen dem kolumbianischen Militär die Behauptung, es habe saubere Hände, jedoch nicht ab, sondern halten die Milizen schlicht für die sechste Division der Armee. Dieser Division wird die Verantwortung für die Verbrechen zugeschrieben, mit denen das Militär offiziell nichts zu tun haben will und die begangen zu haben es »plausibel bestreiten« kann.
Präsident Clinton jedoch lobte das Land über den grünen Klee.
Er pries die Durchsetzung der Menschenrechte, die
Verwirklichung der Demokratie und die Wirtschaftsreform. Mit letzterem hatte er sicher recht: Kolumbien hat die Wirtschaft so stark
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