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Power and Terror

Power and Terror

Titel: Power and Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Chomsky
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südöstlichen Türkei.
    Die Türkei gehörte immer zu den bevorzugten Empfängern amerikanischer Militärhilfe, nicht zuletzt aufgrund ihrer strategischen Lage als Nachbar der Sowjetunion und der Nahoststaaten. Die bereits während des Kalten Kriegs umfangreichen Zuwendungen wurden ab 1984 drastisch erhöht und erreichten unter Clinton den vierfachen Umfang dessen, was in den vierzig Jahren zuvor geleistet worden war. Im Spitzenjahr 1997 kamen 80 Prozent der Waffenlieferungen aus den
    Vereinigten Staaten, die nicht nur Kampfflugzeuge und Panzer, sondern auch Militärberater schickten. Zu dieser Zeit führte die Türkei einen Kampf gegen die Kurden, die etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung ausmachen. Dort, in Ost-Anatolien, habe ich mich aufgehalten.
    Der Kampf gegen die Kurden ist wiederholt als »Staatsterror«
    bezeichnet worden, so etwa von dem bekannten türkischen Soziologen Ismail Besikci, der in seinem 1991 veröffentlichten Buch State Terror in the Middle East auch von der Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung berichtete. Nach Erscheinen des Buchs wurde er sofort inhaftiert und sitzt, soweit ich weiß, immer noch im Gefängnis. Seine Kritik an der türkischen Kurdenpolitik hatte ihn schon einmal für fünfzehn Jahre hinter Gitter gebracht.
    Der U. S. Fund for Freedom of Expression sprach ihm einen 48
    mit zehntausend Dollar dotierten Preis zu, den er wegen der amerikanischen Unterstützung für den Staatsterror in der Türkei jedoch ablehnte. Seine neuerliche Inhaftierung führte in Großbritannien zu heftigen Protesten durch Schriftsteller, Akademiker und Parlamentarier, während in den USA
    Stillschweigen herrschte. Da wir das Vorgehen der Türkei gegen die Kurden unterstützen, kann es kein Terror sein und folglich müssen wir uns auch nicht um Besikci kümmern.
    Der Soziologe war nicht der einzige, der von »Staatsterror«
    sprach. 1994 verwendete sogar der türkische Minister für Menschenrechte diesen Ausdruck für die Politik seiner Regierung. Er sprach damals von zwei Millionen Vertriebenen, Zehntausenden von Toten und zahllosen barbarischen
    Greueltaten.
    Mittlerweile hat sich die Situation noch verschlechtert.
    Während meines Aufenthalts in Ost-Anatolien bezifferte Osman Baydemir, der geachtete Vorsitzende der kurdischen
    Menschenrechtskommission (der übrigens auch von der
    amerikanischen Botschaft sehr geschätzt wird), die Zahl der Flüchtlinge auf drei Millionen und die der Getöteten auf 50000.
    Wie ich selbst sehen konnte, leben viele Flüchtlinge in Höhlen außerhalb der Stadt Diyarbakir; in anderen Orten ist die Lage ähnlich.
    Kurz nach meiner Abreise wurde Baydemir von der
    Staatssicherheit vor Gericht gebracht und angeklagt. Sein Verbrechen hatte darin bestanden, daß er in einem Bericht über das Neujahrsfest der Kurden die kurdische Schreibweise benutzt hatte – »Newroz« statt türkisch »Nevruz«. Wie der Prozeß gegen ihn ausgeht, läßt sich zur Zeit nicht sagen.8
    Wenn Kinder so gekleidet sind, daß sich aus den Farben ihrer Kleidung diejenigen der (verbotenen) kurdischen Nationalflagge ergeben, kann das als schweres Verbrechen gewertet werden.
    Während meines Aufenthalts wurde ein Journalist ins Gefängnis gesperrt, weil er im Radio ein kurdisches Lied gesendet hatte.
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    Sein Sender wurde geschlossen. In die Türkei gereist war ich, um einem Verleger zu helfen, der unter Anklage stand, weil er ein Buch von mir veröffentlicht hatte, in dem drei Sätze, die sich auf Berichte von Menschenrechtskommissionen bezogen, von der Unterdrückung der Kurden handelten. Zum Glück war die internationale Aufmerksamkeit so groß, daß der Verleger in diesem Punkt freigesprochen wurde. Allerdings wird ihm jetzt wegen ähnlicher Vergehen der Prozeß gemacht.
    In Diyarbakir hatte ich – vor zahlreich versammeltem Publikum inklusive TV- und Polizeikameras – einen Vortrag gehalten. Nach dem Schlußsatz kam es zu einem Ereignis, das von beträchtlichem Mut zeugte: Drei Studenten traten ans Rednerpult und überreichten mir ein kurdisch-englisches Wörterbuch, das auf unbekannte Weise in die Türkei
    geschmuggelt worden sein mußte. Nur wer mit der Situation vertraut ist, weiß, wie gefährlich diese Aktion war. Was mit den Studenten geschah, konnte ich nicht weiter verfolgen.
    Immerhin erhält, wer gegen die drakonischen Gesetze und repressiven Praktiken protestiert, von vielen Seiten Unterstützung. Schriftsteller, Journalisten und Akademiker führen einen beständigen Kampf um mehr

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