Power and Terror
internationalen Terrorismus gerechnet werden.
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Die Entführung der Achille Lauro war selbstverständlich ein terroristischer Akt, der auch nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, daß die Entführer ihn als Vergeltung für die viel schlimmere Bombardierung von Tunis eine Woche zuvor
unternommen hatten. Auch als Vergeltungsmaßnahme läßt sich Terror nicht rechtfertigen. Aber diese Aussage ist natürlich verallgemeinerbar, und daraus lassen sich, wenn man elementare moralische Grundsätze für richtig hält, bestimmte Folgerungen ziehen, die man in der Diskussion über solche Vorfälle indes nicht finden wird.
In der erwähnten Ausgabe von Current History finden sich noch kühnere Interpretationen. So verfolgt einer der führenden akademischen Terrorismus-Spezialisten, ein Professor an der University of California in Los Angeles, die Wurzeln Usama bin Ladins über den Islam hinaus bis zum Vietnamkrieg. Er meint:
»Der Terror des Vietcong gegen den amerikanischen Goliath …
nährte die Hoffnung, daß auch das westliche Herzland verwundbar sein könnte.« Mithin war das amerikanische Herzland in Südvietnam, wo die Bevölkerung Terror gegen uns ausübte, verwundbar.
Was folgt daraus? Die von mir beschriebenen Terrorakte, die in Mittelamerika, dem Nahen Osten, Südafrika usw. ausgeführt wurden, gelten nicht als Terror. Die wissenschaftliche Literatur nimmt sie in die Annalen des Terrors nicht als Terrorakte auf, sondern bezeichnet sie als »Antiterror« oder als »gerechten Krieg«. Diese Bewertung folgt dem Prinzip, daß Terror das ist, was sich gegen uns oder unsere Verbündeten richtet. Wenn hingegen wir oder unsere Verbündeten gegen ein anderes Land Terror ausüben, dann handelt es sich dabei um Gegenterror oder einen gerechten Krieg.
Dieses Prinzip nun besitzt, soweit mir bekannt ist, nahezu universelle Gültigkeit. Man kann die umfangreiche Literatur zu diesem Thema durchforschen und sehen, ob es eine Ausnahme gibt. Meines Wissens gibt es keine. Und ich habe nicht nur in 46
den Vereinigten Staaten, sondern auch in vielen anderen Ländern danach gesucht. Die gesamte Geschichte des
europäischen Imperialismus ist von dem Grundsatz
durchdrungen: Was wir anderen antun, ist Gegenterror oder ein gerechter Krieg, auch und gerade, wenn wir unsere Verbrechen in anderen Ländern begehen. Wir haben eine zivilisatorische Mission, wir bringen den Barbaren die Kultur usw.
Selbst die schlimmsten Mörder in der Geschichte haben sich diesen Grundsatz zu eigen gemacht. Als die Nationalsozialisten weite Teile Europas okkupiert hatten, behaupteten sie, damit die Bevölkerung und die legitimen Regierungen gegen den vom Ausland gesteuerten Terror der Partisanen zu verteidigen. Und noch in dieser vulgären Propaganda steckt ein Körnchen Wahrheit.
Die Partisanen übten Terror aus, und sie wurden von London aus gesteuert, also übten sie vom Ausland gesteuerten Terror aus. Und die Vichy-Regierung in Frankreich war genauso legitim wie andere Regierungen, die von den USA oder anderen imperialen Mächten hier oder dort eingesetzt wurden. Das verleiht der grotesken NS-Propaganda, die der unseren durchaus ähnelt, einen Hauch von Rechtfertigung.
Vergleichbares gilt für die Japaner in der Mandschurei und Nordchina. Natürlich wollten sie der dortigen Bevölkerung das Paradies auf Erden verschaffen und die nationalistische Regierung in der Mandschurei gegen die chinesischen Banditen verteidigen usw. Das dürfte uns bekannt vorkommen.
So jedenfalls lautet meines Erachtens der universelle Grundsatz: Was wir tun, ist Gegenterror oder gerechter Krieg; was die anderen tun, ist Terror. Das Ausmaß der Verbrechen spielt dabei keine Rolle, andere Erwägungen ebenfalls nicht.
Das waren die achtziger Jahre. Betrachten wir nun, was danach bis heute passiert ist und richten wir unser Augenmerk auf die Militärhilfe. Da rückt zunächst El Salvador in den 47
Mittelpunkt, das während des Feldzugs seiner Regierung gegen die Bevölkerung zum führenden Empfänger US-amerikanischer Waffenlieferungen aufstieg. Nachdem die Befreiungstheologie besiegt worden war, trat die Türkei die Nachfolge von El Salvador an und blieb bis 1999 auf dem ersten Platz. Dann wurde sie von Kolumbien abgelöst.
Dazu eine persönliche Bemerkung: Ich habe gerade zwei dieser Länder besucht und bin dort gewesen, wo in den neunziger Jahren einige der schlimmsten Verbrechen verübt wurden. Letzte Woche war ich in Südkolumbien und einige Wochen zuvor in der
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