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Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)

Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)

Titel: Power Down - Zielscheibe USA (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Coes
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Stahl des Schalldämpfers in der rechten Tasche seiner Daunenjacke. Ohne hinzusehen, weiterhin auf die Schwarz-Weiß-Fotografie konzentriert, die Jessica Tanzer an einem längst vergangenen Sommertag beim Segeln zeigte, schraubte er den Schalldämpfer auf die Mündung seiner halb automatischen Waffe.
    Als er hörte, wie sich die Tür schloss, machte er auf dem Absatz kehrt. Er schlich an dem Geländer am oberen Treppenabsatz vorbei in ihr Schlafzimmer. Hinter der Tür lehnte er sich gegen die Wand. Es herrschte völlige Dunkelheit. Aber gleich würde sie die Treppe heraufkommen und das Licht anmachen. Und er wollte nicht, dass sie ihn dann sah. Er hörte ein leises Pfeifen. Unverkennbar Jessica. Sie pfiff ein Weihnachtslied – We Wish You a Merry Christmas. Er lächelte und hob die entsicherte und durchgeladene Waffe. Das Pfeifen wurde lauter, als Jessica sich dem Fuß der Treppe näherte.
    Calibrisi hockte allein vor dem Rechner. Er hatte Ashley Bean gesagt, sie solle eine Pause machen. Zum mittlerweile 28. Mal betrachtete er sich die Videosequenz, wie Vic Buck den gepflasterten Fußweg entlangging. Auf einmal dämmerte ihm, was damit nicht stimmte. Er hatte gewusst, dass er früher oder später darauf kam, und jetzt erkannte er es. Er drückte die Pause-Taste, markierte Bucks Hände mit einem Rechteck und zoomte das Bild erst weg und dann wieder heran. Anschließend ließ er per Split-Screen das Video vom Vortag daneben ablaufen. Dabei wandte er das gleiche Verfahren an, markierte die Hände mit dem Auswahlwerkzeug und zoomte.
    Er betrachtete nur die Hände. Die Handschuhe. Gestern schwere, dicke Ski-Handschuhe. Winterhandschuhe. Heute nicht mehr. Genau das hatte ihm keine Ruhe gelassen, seit er den Clip das erste Mal sah. Heute trug Vic Buck keine Winterhandschuhe. Nein, Calibrisi wusste um die Bedeutung, denn er selbst hatte einst mehrere Paare davon besessen. Es handelte sich um CIA-Standard-Handschuhe. Handschuhe, die an jeden Agenten ausgegeben wurden und die bei jeglicher Witterung vollkommen nutzlos waren. Sie dienten nur einem einzigen Zweck. Heute plante Vic Buck, jemanden umzubringen.
    »Deputy Director Tanzers Büro«, meldete sich Rosemary, ihre Assistentin.
    »Ist sie da?«, fragte Calibrisi mit Panik in der Stimme. »Ich binʼs, Hector.«
    »Sie ist nach Hause gegangen, Hector. Anschließend will sie nach New York. Versuchen Sieʼs auf dem Handy.«
    Calibrisi legte auf. Er wählte Jessicas Handynummer und wartete auf den Rufton.

49
    STAHLHÜTTE BATH
    BATH, MAINE
    An Davids Fingerspitzen haftete der scharfe, fischartige Geruch von Venusmuscheln. Beinahe unbewusst schnüffelte er auf dem Weg zur Arbeit daran. Aus dem Radio dröhnte leise das monotone Geleier der Talkshow mit Rush Limbaugh. Es war Freitagabend, kurz vor Beginn der Nachtschicht. Während er den Pick-up über die Winnegance Bridge lenkte, schnupperte er erneut an seinen Fingern. Er konnte zwar nicht genau sagen, weshalb, aber er liebte den Geruch dieser Muscheln.
    »Warum riechst du eigentlich dauernd an deinen Händen?«, fragte Dickie. Dickie Roman war Davids Arbeitskollege. Sie wohnten in Phippsburg, beide in derselben Straße, unweit der Hauptverkehrsader zum Sebasco Harbor Resort, wo sich ein sauberes, ordentliches Fertighaus an das andere reihte.
    »Venusmuscheln«, sagte David lächelnd. »Heute hab ich wieder Muscheln gesammelt.«
    »Du spinnst ja«, meinte Dickie kopfschüttelnd, während er sich eine Winston Light anzündete. »Wir hatten heute fast minus 20 Grad.«
    »Ich mag sie einfach«, entgegnete David. »Ich mag das Gefühl, wenn man direkt unter dem Schlick eine ganz große findet. Sie bespritzen einen mit Salzwasser. Es ist wie ein Spiel. Und den Geschmack. Den liebe ich.«
    Kopfschüttelnd stieß Dickie den Rauch aus. »Yeah, ich denke mal, wo ihr Kanaken herkommt, da gibt es keine Muscheln, oder?«
    »Nein«, erwiderte David. »Die Muscheln hat Gott euch Salzwasser-Hinterwäldlern oben in Maine vorbehalten, damit ihr nicht verhungern müsst.«
    Die beiden gaben, vorsichtig ausgedrückt, ein merkwürdiges Gespann ab: ein 55-jähriger kettenrauchender Schulabbrecher aus Maine und ein 28 Jahre alter, adretter, hellhäutiger Jordanier, die sich gegenseitig auf die Schippe nahmen. Dickie, ein grässliches Geschöpf, war der einzige Freund, den David in Maine hatte. Was die beiden miteinander verband, waren die ständigen rassistischen Scherze, Zigaretten, billiges Bier und – natürlich – die Arbeit. Immer nur die

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