Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)
Scherwinden aus der Hudsonstraße auszuweichen. Aber wenigstens empfand er die Gulfstream als bequem – und schnell. Es handelte sich um eines von vier Flugzeugen der KKB-Firmenflotte.
In der Nacht zuvor hatte Savoy einen Anruf von Ted Marksʼ Sekretärin, Ashley, erhalten.
»Ted möchte, dass Sie hinfliegen«, sagte Ashley, nachdem sie ihn von Jakes Tod unterrichtet hatte. »Er sagt, Jake habe ihn letzte Woche angerufen. Er wirkte wegen irgendetwas beunruhigt. Ted möchte, dass Sie nachsehen, was da oben los ist.«
»Erwähnte er, was ihn beunruhigt?«
»Nein. Ted hat nicht mit ihm gesprochen. Jake hinterließ lediglich eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Keine Einzelheiten.«
Kurz gefasst: Teddy Marks erhält einen Anruf, Jake White kommt ums Leben und Terry Savoy muss seinen Urlaub unterbrechen, um mitten im Winter in die Labradorsee zu fliegen.
»Gehen Sie noch nicht runter!«, brüllte Savoy dem Piloten, George Kimball, aus seinem großen Ledersessel in der Kabine zu. »Kreisen Sie ein paarmal über dem Damm, so nah, wie Sie können.«
»Draußen ist es dunkel. Wir werden nicht allzu viel sehen.«
»Funken Sie die an und sagen Sie, die sollen die Scheinwerfer einschalten. Alles, was sie haben. Die Anlage richtig anstrahlen.«
Savoy arbeitete als Sicherheitschef für KKB. Ihm oblag die Aufsicht über die Sicherheitsvorkehrungen in allen Einrichtungen des Unternehmens. Die Untersuchung von Whites Tod fiel in eine Kategorie, die er angeblich nicht mochte, in Wahrheit jedoch machten genau solche Einsätze den Job für ihn interessant. Savoys Arbeit bestand größtenteils aus sturer Routine: Er erstellte ein Sicherheitsprotokoll für jede Anlage, setzte die Einhaltung dieser Protokolle bei der Personalführung durch, entwarf Screening-Prozesse für die Einstellung von Mitarbeitern und verantwortete den Schutz der Anlagen und das Einrichten von Zugangskontrollen. Mit anderen Worten: Sein Job ermüdete ihn. Nach einer Laufbahn als Berufssoldat bei den US Army Rangers verhieß die Privatwirtschaft finanzielle Unabhängigkeit und ein bequemes Leben – eine Möglichkeit, endlich Geld zu verdienen und viel Golf zu spielen. Doch im Grunde bezahlte er dafür mit Langeweile. Darum kam es ihm gerade recht, vor einer echten Herausforderung zu stehen.
»Wir nähern uns dem Staudamm«, rief Kimball aus dem Cockpit.
Savoy ging nach vorn in die Pilotenkanzel, bezog Aufstellung hinter dem jungen Kopiloten und setzte sich ein Paar Kopfhörer auf. Das Flugzeug flog 30 Meter über den Kiefern, die sich in sämtliche Richtungen als grüner Teppich ausbreiteten. Schon bald kamen in der Ferne die Lichter des Savage-Island-Projekts in Sicht.
Aus der Luft ließ sich erkennen, was für eine ingenieurstechnische Meisterleistung das Unternehmen vollbracht hatte. Der Damm ragte wie ein Schutzschild in die Höhe, eine mehr als 900 Meter hohe, trapezförmige Wand aus Beton, Stein und Stahl. Ein Wunder der Ingenieurskunst mitten im Nirgendwo. Sie warf ihren gigantischen Schatten auf den durch Menschenhand entstandenen See und auf die Arbeitersiedlung dort unten. Ein beängstigender Anblick.
Die Halogenscheinwerfer des Damms kletterten wie eine Leiter senkrecht an der Staumauer empor und tauchten die Rückseite des Staudamms in gelbliches Licht. Oben auf der Mauer verliefen sie horizontal und leuchteten die Dammkrone aus. Das Flugzeug näherte sich der Spitze und schoss mit dröhnenden Motoren über den Abgrund aus Granit hinaus. Unversehens befanden sie sich über den Wassern der Labradorsee.
Savoy schüttelte den Kopf. »Verdammt!«, flüsterte er.
Wenige Minuten später setzte der Jet nach einigem weiteren Kreisen über der Anlage auf der Landebahn auf. Ein weißer Chevy Suburban erwartete Savoy bereits.
»ʼn Abend, Arnie«, grüßte Savoy Mihailovic beim Einsteigen.
Der Sicherheitschef der Einrichtung schüttelte ihm die Hand. »Wie war dein Flug?«
»Nicht schlecht. Wie nehmen die Leute hier oben die Sache auf?«
»Na ja, weißt du, sie sind alle ein bisschen geschockt.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Ich habe das Gästehaus für dich vorbereitet. Willst du direkt dorthin?«
»Nein«, sagte Savoy. »Erst will ich mir die Leiche ansehen.«
Sie passierten zwei Tore und fuhren durch die äußere Umzäunung des Savage-Island-Projekts. Obwohl die Wachleute für sie arbeiteten und obwohl Mihailovic keine zehn Minuten zuvor dieselben Tore passiert hatte, mussten sie an beiden Eingängen ihre Ausweise vorzeigen.
Es
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