PR 2656 – Das Feynman-Kommando
Chourtaird.
»Die was überlebt haben?«
Chourtaird beugte sich vor. Er stützte die Ellenbogen auf den Tisch, legte die Fäuste an die Stirn und sagte: »Ich habe Hunger. Ich wäre euch dankbar, wenn meine Speise frei wäre von dem, was ihr Milchprodukten und Purinalkaloide nennt. Und ich bitte um ein Schälchen Wasser.«
Bull lehnte sich zurück und atmete tief ein. Er winkte Kirte Otorongo hinaus.
»Danke!«, sagte Bull leise.
*
Chourtaird hatte das Reisgebäck mit der Orangenkonfitüre verzehrt, dazu geriebenen Apfel. Er hatte ein Glas Wasser getrunken. Vor ihm auf dem Tisch lag eine flache, längliche Porzellanschüssel, in der keine fünf Zentimeter hoch Wasser stand. Der Sayporaner hatte die Finger seiner rechten Hand eingetaucht und schrieb unsichtbare Ziffern und Zeichen hinein.
Bull ließ ihn eine Weile gewähren. Vielleicht meditierte der Sayporaner auf diese Weise; vielleicht war es eine religiöse Zeremonie oder ein Reinigungsritual.
Vielleicht auch nichts von alledem.
Kirte Otorongo betrat den Raum wieder. Sicherheitshalber wollte er überprüfen, ob die Nahrungsaufnahme wünschenswert abgelaufen war oder ob sich Schwierigkeiten ergaben.
»Du verträgst alles bestens«, teilte er dem Sayporaner mit, nachdem er die Daten aus dem Medo-Operator abgelesen hatte.
»Besonders die Konfitüre«, lobte Chourtaird. Dann wandte er sich wieder seinen Ziffern im Wasser zu.
Otorongo blickte Bull an; der zuckte kurz die Achseln.
Nach einer Weile blickte Chourtaird auf. »Wie geht es meinem Ziehsohn?«
»Besser«, sagte Otorongo. Er warf Bull einen fragenden Blick zu; Bull nickte. Otorongo fuhr fort: »Wenn auch nicht nachhaltig. Shamsur Rouths physische Defizite können wir aufbauen. Schwerwiegender sind die neuronalen Fehlfunktionen. Sie breiten sich über die gedächtnisaktiven Regionen des Gehirns aus, beeinträchtigen teilweise tiefer gelegene Areale, sogar den Lebensknoten im Nachhirn, also die Atemfunktion im Hirnstamm.«
»Könnt ihr ihm helfen?«
Otorongo tippte auf seinen Medo-Operator. »Ich habe einen semiorganischen Assistenten generiert, eine Art Atemschrittmacher, und ihn in den Hirnstamm eingesetzt. Aber mir ist noch nicht klar genug, welche Rolle das Gerät spielt, das er am Armgelenk trägt: sein biomechanischer Symbiont? Ein kybernetisches Zusatzorgan?«
»Die beiden bilden eine glückliche Einheit«, sagte Chourtaird.
»Das bezweifle ich«, versetzte Otorongo.
»Das werden wir später klären«, entschied Bull.
*
»Du kannst zu fragen beginnen«, sagte Chourtaird, nachdem Otorongo gegangen war.
Bull fragte: »Woher kommt ihr?«
»Wir sind mit der ANÄIRY im Weltenkranzsystem gestartet.«
»Dem Heimatsystem der Sayporaner?«
»Es ist ein wenig komplizierter. Immerhin ist Saypor, unsere Ursprungswelt, Teil des Weltenkranzes. Allerdings habe ich seit langer Zeit nicht mehr auf Saypor gelebt, sondern auf Gadomenäa. Der Welt der Neuformatierung.«
»Dort, wo die entführten Kinder und Jugendlichen einer Gehirnwäsche unterzogen wurden?«, fragte Bull. »Und wo ihr diesen Vorgang rückgängig machen könnt?«
»Auch das ist ein wenig komplizierter«, sagte Chourtaird. »Neuronale Formatierungen dieser Art lassen sich nicht beliebig oft wiederholen. Jedenfalls nicht ohne erhebliche Risiken für die Bewusstseinsarchitektur der Betroffenen. Übrigens ist niemand entführt worden. Eure Kinder sind freiwillig über das Transitparkett gegangen.«
»Manipuliert von den Phenuben eurer Auguren.«
»Ermuntert, könnte man sagen.«
»Manipuliert, könnte man sagen, sodass sie das Gefühl hatten, freiwillig zu gehen.«
»Wo siehst du den Unterschied zwischen Freiwilligkeit und dem Gefühl von Freiwilligkeit?«
Bull überlegte kurz. »Stellen wir das zurück«, sagt er schließlich. »Warum der Uranus? Warum habt ihr nicht Terra angeflogen?«
»Weder mein Ziehsohn noch ich sind über die Veränderungen in diesem System informiert. Wir brauchten Zeit, um uns zu orientieren.«
»Auf Umbriel?«
»Das war die Idee meines Ziehsohnes.«
»War dir bewusst, dass die Utrofaren euch spüren würden?«
»Nein.«
»Ein ziemlich planloser Plan«, sagte Bull.
»Er hat funktioniert.«
Bull lachte leise. »Vor einigen Tagen hat Anicee Ybarri, also die Tochter deines Ziehsohnes Shamsur Routh, im Kosmopolitan-Opernhaus eine Rede gehalten. Anicee spricht für den Umbrischen Rat – was immer diese Sprecherrolle tatsächlich bedeutet. Nach dieser Rede befindet sich das Solsystem in
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