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PR 2685 – Der ARCHITEM-Schock

PR 2685 – Der ARCHITEM-Schock

Titel: PR 2685 – Der ARCHITEM-Schock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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dass die Sonnennägel Kurs auf Neptun nahmen. Eher würden sie die Ekliptik verlassen und mit Höchstwert beschleunigen.
    Langsam strebten die Nagelraumer von der schwarzen Sonne fort.
    Viel zu langsam, empfand es der Kommandant. Und das lag kaum an der Perspektive. Die Kameras erfassten die Schiffe der Spenta wohl über mehrere Hunderttausend Kilometer Entfernung, aus einer Position heraus, die kaum zwanzig Winkelgrad vom Kurs der Spenta abwich.
    Warum beschleunigten die Sonnennägel nicht?
    Varro fragte sich, ob die Spenta eine Verständigung versuchten. Womöglich wurden in unmittelbarer Sonnennähe in diesen Sekunden erste Botschaften ausgetauscht.
    Oder legte die Mosaikintelligenz es darauf an zu provozieren? Der Befehl, jede missverständliche Aktion zu unterlassen, schien darauf hinzudeuten.
    Die bloße Darstellung, wie sie von Augenklar gesendet wurde, machte es schwer, Distanzen und Geschwindigkeiten einigermaßen zutreffend abzuschätzen. Die Schiffe entfernten sich von der Sonne, das zeigte sich an der leichten Verschiebung vor dem Hintergrund.
    Zwanzig, vielleicht dreißig Kilometer in der Sekunde, schneller konnten die Spenta unmöglich sein. Obwohl ihre Sublichttriebwerke Beschleunigungen bis zu 250 Kilometern pro Sekundenquadrat erlaubten.
    »Etwas stimmt da nicht!«
    Das war Meliassa Detoms Stimme. Der Ortungschefin war es also ebenfalls aufgefallen. Jemand antwortete ihr. Es schien Huise zu sein, der wieder ein Streitgespräch suchte. Varro achtete nicht darauf.
    Der Kommandant versuchte, mehr zu erkennen, Dinge, die sich dem schnellen Blick entzogen. Aber nichts an den vierzehn Schiffen erschien ihm ungewöhnlich. Das goldflirrende Bugleuchten war erloschen.
    Nur die aus dem Schiffsinnern nach außen tretenden, zum Bug hin verlaufenden Adernstränge glühten in tiefem Goldton. Unterschiedlichste Rumpfbereiche schimmerten rotgolden oder gar in grellem Weiß, dort herrschten unglaubliche Temperaturen, und das wohl nicht nur im Bereich der Außenhülle, sondern ebenso im Schiffsinnern.
    Seit den ersten Distanzmessungen war bekannt, dass die Sonnennägel Temperaturen von mehreren Zehntausend Grad Celsius aufwiesen. Das war nicht gerade ein Umfeld, das gegenseitige Besuche ganz oben auf die Prioritätenliste setzte.
    Ungefähr so drückte sich die Kommentatorin von Augenklar aus. Seit dem Erscheinen der vierzehn Schiffe hatte sie geschwiegen und glaubte nun wohl, alles Versäumte nachholen zu müssen. In Sachen Spenta war sie nicht kompetent. Der Kommandant schaltete das Akustikfeld unhörbar.
    Die Nagelraumer flogen in Formation, das wurde ihm erst allmählich bewusst. Keiner der Raumer veränderte seine Position zu den anderen. Auch wenn sich langsam die Perspektive verschob, die Schiffe wirkten synchron.
    Varro hörte Meliassa Detom fröhlich kichern. Andere stimmten darin ein, als habe sie etwas ungewöhnlich Schönes von sich gegeben. Die Stimmen klangen gelöst, keineswegs mehr so angespannt wie noch vor wenigen Minuten.
    Allem Anschein nach drohte keine Gefahr. Die Spenta verhielten sich passiv; ihr Formationsflug mochte etwas wie ein Friedensangebot sein. Vielleicht war das ihre Symbolik.
    Sie zogen ab.
    Callis Varro lächelte. Es war ein zuversichtliches Lächeln, das ihm selbst Mut machte. Zufrieden lehnte er sich im Sessel zurück und ließ die Bilder der Panoramagalerie auf sich wirken.
    Ein erhebender Augenblick. Wie leicht hätten die Waffen sprechen können, doch nichts geschah.
    Als würden seine Gedanken die Aufnahme steuern, sprang das Bild in die Totale. LFT-BOXEN wurden sichtbar. In offener Abfangformation standen Hunderte großer, schlagkräftiger Kugelraumer. Sie wären auf die Distanz kaum zu erkennen gewesen, hätte sie nicht der Widerschein ihrer aktivierten Schutzschirme verraten.
    Ein Sphärenklang erfüllte die Zentrale.
    Varro fragte sich, woher die sanfte Melodie kam. Aber war das nicht unwichtig? Statt banale Fragen zu stellen, wollte er den Augenblick genießen. Viel zu selten gab es solche Momente, in denen er sich einfach zurücklehnen, die Augen schließen und angenehmen Gedanken lauschen konnte.
    Tief atmete er durch. Ein lauer Wind trug fernes Meeresrauschen heran. Insekten summten. Er spürte die Sonne, die hinter den schnell über den Himmel ziehenden Wolken hervorbrach, auf seiner Haut. Selbst durch die geschlossenen Lider nahm er den raschen Wechsel von Licht und Schatten wahr.
    Sommer. Der Duft üppiger Blütenpracht und warmer Gräser kitzelte in der Nase.

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