PR 2693 – Meuterei auf der BASIS
zerbrachen sich seit Stunden die Köpfe. Oberst Anrene hatte eine große Runde zusammengerufen, mit seinen führenden Offizieren und Experten für die technische und psychologische Situation.
Sie hatten nur wenige Stunden Zeit, um den Tender zurückzuerobern. Aber wie sollte das geschehen?
Die Transmitterstationen würden bewacht sein, wenn nicht blockiert. Im Grunde wäre nur ein Ablenkungsmanöver mit den Wachschiffen möglich, während sich eine mobile Truppe an Bord schlich.
Diese Überlegung klang gar nicht einmal so undurchführbar, als Heatha Neroverde über ihren Mikrofunk anrief.
»Ich hätte da eine Idee, wie ich euch reinlassen kann«, eröffnete die junge TLD-Agentin. »Auf der Backbordseite der CHIS-2, ganz vorn außen, gibt es ein paar Andockmöglichkeiten für diverse Waffenmodule. Diese werden derzeit nicht genutzt. Bei einem dieser Module gibt es eine Wartungsschleuse. Mit Gravo-Paks und Deflektoren könnt ihr ungesehen dort hinauf. Die Schleuse ist nicht besonders gesichert, da sie ja sozusagen ins Nichts führt, den Zugang kann ich leicht knacken.«
»Das klingt sehr gut«, teilte Raik ihr mit. »Ich sehe dabei nur ein Problem: Wie viele Leute brauchen wir?«
»Im Prinzip müssen wir nur den Konferenzbereich übernehmen und den Rat festsetzen. Dann werden alle anderen aufgeben. Sie können nicht schnell manövrieren, sondern sind durch die Landung zur Bewegungsunfähigkeit verdammt. Sie können eigentlich gar nichts unternehmen. Ich glaube, ein Dutzend Leute würden genügen. Vielleicht auch nur zwei oder drei, je nachdem, wie gut sie sind.«
»Was ist mit Velderbilt?«
»Sie und ihre Leute sind im New Rosegarden Dome. Rynol Cog-Láar und seine Cosmolodics diskutieren heftig mit ihnen. Ich komme nicht zu ihr durch.«
»Also müssen wir sie abschreiben – vorerst. Ich lasse das durchrechnen und melde mich wieder bei dir«, erklärte der Oberst. »Danke, Heatha. Gut gemacht.«
»Vielen Dank!« Die Freude war deutlich zu hören.
*
DOCTOR SIN spuckte Wahrscheinlichkeiten aus, die niemand wissen wollte. Sie spielten mehr als ein halbes Dutzend Szenarien durch, doch es ging niemals ohne Gewalt und Blutvergießen ab. Bei dem einen waren mehr, bei dem anderen Einsatz weniger Tote zu erwarten. Die Erfolgsgarantie auf der anderen Seite der Waagschale kam nicht höher als auf sechzig Prozent.
»Inakzeptabel!«, schnaubte Anrene.
Sie mochten es drehen und wenden, wie sie wollten, sie kamen zu keinem besseren Ergebnis. Sie wussten nicht, welche »Überraschungen« die Meuterer vorbereitet hatten. Sicherlich rechneten sie mit einem Angriff.
Momentan schien alles friedlich auf dem Schiff, aber unterschwellig war die Spannung groß. Die Leute konnten es nicht mehr erwarten, nach Hause zu kommen, und würden vernünftigen Argumenten gegenüber nicht mehr aufgeschlossen sein. Sie sahen einen Ausweg, und der musste genommen werden, komme, was da wolle.
Ein kleiner Unglücksfall nur, und sei es ein Kind, das auf die Nase fiel und losschrie, und die Bombe konnte hochgehen. Dort drüben waren viele Galaktiker weit verstreut. Wie wollten sie die alle in den Griff kriegen? Wer sagte denn überhaupt, dass die Meuterer aufgaben, wenn ihre Zentrale gestürmt und der Rat verhaftet würde? Das konnte doch den Widerstand erst recht entzünden, der sich dann unmittelbar gegen diejenigen richtete, die derzeit in den Kontrollzentren festsaßen. Darunter waren auch Zivilisten.
»Heatha«, sagte Anrene schließlich schweren Herzens, »wir werden nichts unternehmen.«
»Sicher nicht?« Sie klang enttäuscht. »Ich hätte da schon gern ein paar von denen vermöbelt, allen voran den Blonden.«
»Wir kämpfen hier nicht gegen Verbrecher oder Staatsfeinde. Diese Leute sind verzweifelt. Sie streben nicht nach Reichtum oder Macht, sie drohen nicht mit Gewalt und Zerstörung. Sie wollen nur die Dinge selbst in die Hand nehmen, sollten wir uns dazu als unfähig erweisen.«
»Das von dir zu hören erstaunt mich.«
Es erstaunte Anrene selbst. Aber er hatte erkannt, dass er nicht nach militärischen Maßstäben denken und handeln durfte. Sicher war da der Tatbestand der Geiselnahme, aber genau das Vorgehen an sich und das bisherige Ergebnis hinderten ihn nach wie vor daran, das Kriegsrecht auszurufen. Es musste einen anderen Weg geben!
Seit einigen Stunden grübelte er daher über etwas nach, was nun immer mehr Form annahm.
»Wir müssen das auf anderem Wege lösen«, sagte er abschließend zu der TLD-Agentin.
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