PR Action 31 Das Erbe Des Divestors
Und: Bis jetzt sind wir der Antwort auf die Frage, wo sie ihre Zentrale haben, keinen Schritt näher gekommen.« Einen Moment hielt er inne. »Ach ja, von Saquola gibt es ebenfalls nichts Neues.«
Dann der Mittelfinger. »Drittens: der politische Druck auf Sie. Die Bevölkerung ist unruhig. Obwohl die Entwicklung nicht an Ihnen liegt, schiebt man Ihnen die politische Verantwortung unter - unterschwellig auch die für die Springerschiffe im System. Der Tenor der Presse ist leider eindeutig: Nur weil nichts über eine Auseinandersetzung mit den Springern bekannt ist, heißt es nicht, dass diese nicht stattgefunden hat. Ein wenig unlogisch, ich weiß. Aber Presse funktioniert so.«
Bully schaute den Thort an. Dieser schien keine Fragen zu haben, sondern lauschte weiter schweigend Bulls Auflistung.
»Seit heute Morgen ist Ihre Position noch schwieriger geworden«, fuhr Bully fort. »Es gibt erste Demonstrationen vor dem Roten Palast. Ihr Amt ist - obwohl Ferrol manchmal wirkt wie eine Monarchie - ein wählbares. Es kommt selten vor, dass ein Thort während seiner Amtszeit abgewählt wird. Aber die Verfassung scheint vorzusehen, dass dies bei groben Fehlern möglich ist. Und man versucht gerade, einen solchen Fall zu konstruieren. Zumindest versuchen es einige ... «
Tsamal seufzte. »Ich sei nicht mehr in der Lage, die Regierungsgeschäfte zu führen.«
»Sie werden es anders darstellen«, wandte Bully ein. »Man will Sie angesichts Ihrer Verdienste und Ihres fortgeschrittenen Alters nicht damit belasten, dass Sie diese Aufgabe noch zusätzlich lösen müssen.«
Der Thort wedelte ungeduldig mit der Hand. »Phrasen. Wörter. Man will mich absetzen.«
»Wollen Sie das?«
»Nein. Ferrol braucht mich.« Der Thort hieb mit der Hand auf die Konsole.
Bully war von diesem Gefühlsausbruch überrascht. »Das glaube ich auch.«
»Was schlagen Sie vor?«
Bully überlegte einen Moment. »Können Sie heute eine Ansprache halten, die im ganzen System ausgestrahlt wird?«
»Natürlich.«
»Wie lange brauchen Sie für die Vorbereitung einer solchen Ansprache?«
Der Thort überlegte kurz. »Kommt drauf an, was ich sagen soll - die Ferro-nen sind gute Reden von mir gewohnt, da will ich sie nicht enttäuschen. Und was Frisur und Kleidung betrifft - man erwartet gleichsam, dass ich wie ein freundlicher Großonkel aussehe, der wenig von Mode und Frisuren versteht. Also dauert dieser Teil nicht lange.«
Bully lachte. Der alte Mann hatte einige Qualitäten, die es wichtig machten, dass er in dieser angespannten Situation Thort von Ferrol war. Seine Kleiderwahl gehörte nicht dazu.
Reyan, Siedlung 24/13/Q
12. Juli 2169, 10.30 Uhr
Mit ruhigen Fingern schloss Latozza den letzten Knopf seiner Jacke. Er strich über die Seiten, sodass der Stoff faltenlos über seinen Oberkörper zu fließen schien. Vor ihm stand der große Tag, auf den er seit Wochen gewartet hatte. Er hatte einen Termin an der Technischen Universität, um vor ferronischen Studenten über seinen Glauben sprechen zu können.
Er wusste, dass dies nur der Teil einer Vortragsreihe war. Ein wenig hatte er sich darüber geärgert, dass er einen Termin nach der »Gesellschaft für Erneue-rung und Körperwechsel« erhalten hatte.
Aber immerhin war er zwei Wochen vor der »Christlichen Gemeinde Wega« dran. Letztere war ein terranischer Import, während die Ssemuhin eine ferronische Erfindung waren.
In den letzten Jahren war es schwierig geworden, neue Mitglieder für ihre Glaubensgemeinschaft zu finden. Der Gedanke, dass man sich nach seinem Tod vor einem Gremium von Geistern verantworten musste, die das geführte Leben einschätzten, war nicht so einfach in den Köpfen junger Ferronen zu verankern. Noch schwieriger war es, ihnen die Vorteile der Keuschheit nahezubringen.
Latozza wusste aber, dass es immer Manager und Industrielle geben würde, die sich für ihre Idee erwärmten. Reyan war der Ort im Wega-System, an dem sich Industrie und Forschung ballten. Welche einfachere Gelegenheit gab es, andere Entscheidungsträger kennenzulernen, als die gemeinsame Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft?
Er war sich darüber im Klaren, dass viele nur formell den religiösen Grundlagen der Ssemuhin anhingen, aber die Vorteile nutzten, welche die Gruppe ihnen bot: die regelmäßigen Treffen, die kulturellen Veranstaltungen, das Gespräch mit Gleichgesinnten.
Ein letzter Blick in den Spiegel. Er freute sich darauf, den jungen Leuten etwas von seiner Begeisterung zu
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