PR Andromeda 04 - Die Sternenhorcher
musste er auf einmal an die Atto denken. An die freundlichen, durchgeknallten Knuffel, die Attorua bewohnten, den einzigen Planeten, auf dem er je gewesen war. Und an ShouKi musste er denken.
Martan riss die Augen auf, starrte in die griesige Nacht.
ShouKi war kein Profitler. Und die Atto rasten nicht in waffenstrotzenden Raumschiffen durch den Kosmos. Sie rasten überhaupt nicht durch den Kosmos. Sie waren einfach nur gute Handwerksleute und Gärtner, einfach nur Wesen, die auf wilde Witze, gutes Essen, nette Drogen und fröhlichen Sex standen. Und Gestaltwandler waren sie, das munterste Völkchen der Galaxis!
Sein Herz machte ein paar so gewaltige Schläge, dass er sie hören konnte.
Er sprang auf.
Es war stockdunkel auf Martans Seite des Kanals. Hinter den Bäumen am anderen Ufer irrlichterte in einer Parallelstraße Feuerschein über die Hauswände. Martan nahm ihn kaum wahr. Ebenso wenig, wie er die Trommeln wirklich als etwas Äußeres wahrnahm, die Gesänge. Für ihn war es das Herz in seiner Brust, das da trommelte, das Blut in seinen Adern, das da sang.
Er musste wissen, was mit den Atto, was mit ShouKi war! Aufgewühlt streifte er durch die dunkle Wildnis. Über ihm schimmerten verschwommen die Sterne. Ihr Licht drang kaum noch durch den nächtlichen Atem der Bäume.
Er lief gerade die rostig stumpfe Metallschiene einer alten Bahnstrecke entlang, als etwas Kleines neben ihm fauchte oder zischte und ihm gegen den nackten Knöchel schlug.
»Aah!«, entfuhr es ihm.
Sein Herz krampfte sich zusammen, seine Beine machten einen gewaltigen Satz und rannten mit ihm los, dass er sie kaum wieder gebremst bekam.
Endlich blieb er keuchend stehen, die Hände auf die Knie gestützt.
Er tastete nach seinem Knöchel. Feucht! Von Blut? Aber es waren keine Wundränder zu ertasten. Das musste Speichel sein.
Mann, hatte er Glück gehabt! Er musste eine Schlange aufgeschreckt haben - eine ohne Giftzähne.
»ShouKi«, keuchte er. »Oh, Mann.«
Und dann brachen sich die Angst und die Sorge und die Aufgewühltheit eine Bahn, und Martan fing zu weinen an.
Danach ging es ihm besser.
Er schaute zu den Sternen mit ihren winzigen milchigen Höfen hinauf. Sie schienen näher zu rücken, immer näher. Wie Augen. Wie die offenen Mäuler dieser stählernen KastunRaubfische.
Oh, Mann. Er musste wissen, was mit ShouKi war!
Er atmete bewusst durch und ging weiter. Langsam diesmal. Es roch erdig feucht, aber auch scharf. Nach Nadelhölzern, nach ihrer zerfallenden Borke, nach den ätherischen Ölen ihres Harzes. Er konnte die Stelle nicht sehen, erkannte sie aber am Geruch.
»Hallo?«, sagte er. »He, Zwillinge! Könnt ihr mir vielleicht sagen, was mit ShouKi ist?«
Keine Antwort.
»He, ihr Baumkerle. Ich bin's, Martan. Wisst ihr etwas von
ShouKi? Oder von Attorua?«
Er schnupperte und tastete sich den Weg durchs Unterholz. Kleine, nasse Blätter blieben ihm an den Armen und Beinen, winzige Zweige unter den Fußsohlen kleben. Dann hatte er die beiden Verholzten gefunden. »He, was ist los, warum sagt ihr nichts?«
Die Zwillinge hatten sich vor wer weiß wie vielen Jahren in Nadelbäume verwandelt. Ihre Körper waren im Lauf der Zeit zu Kegeln zerflossen, zu großen, kegelförmigen Stämmen, die sich schief aneinander lehnten. Allein an den riesenhaften, mehr als mannsgroß ausgedehnten Gesichtszügen ließen sie sich überhaupt noch als Verholzte erkennen. Am Tag sahen die Zwillinge lustig aus, und lustige, leutselige Gesellen waren sie auch.
Aber heute Nacht schwiegen sie, waren sie einfach nur zwei wuchtige, gedrungene Nadelbäume.
Also machte Martan, dass er weiter kam.
Aber je mehr Verholzte er aufsuchte, desto deutlicher wurde, dass sie heute Nacht nicht ansprechbar waren. Entweder sie schwiegen, oder sie behandelten ihn wie ein kleines Kind und schickten ihn weg.
Die Sonne färbte den Horizont schon schwach silbrig, als Martan auf die Idee kam, einfach Angu mit einem Verholzten zu machen. So wie er es vorgestern aus Versehen mit seinem Vater getan hatte.
Am Besten mit der Schwangeren. Sie lag ganz hier in der Nähe, nur ein Stück das Ufer zurück, dort, wo die Auwiese zu einem wahrscheinlich einst künstlich angelegten Steinstrand hin abfiel.
Die Schwangere war noch sehr jung gewesen, als sie sich zum Grünwerden entschlossen hatte; keine zwanzig Jahre alt. Wegen eines Dutzends unglücklicher Lieben, sagten die einen. Wegen ihrer trägen, pflanzenhaften Sinnlichkeit, sagten die anderen. Martan fand nicht,
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