PR Ara-Toxin 02 - Die Medo-Nomaden
zu ziehen. Man durchleuchtete mich dahingehend, ob ich in der Tat ein Mensch war, Waffen oder gar Sprengstoff bei mir trug oder vielleicht sogar eine lebende Bombe darstellte. Meine Stoffwechselsysteme wurden bis auf die Ebene untersucht, auf der Nanogeräte zum Einsatz kamen. Und einige Waffen waren auf mich gerichtet.
Ich ging langsam und gleichmäßig, einerseits, um meinen Begleiter nicht zu unbedachten Aktionen herauszufordern, andererseits, um den Instrumenten Gelegenheit zu geben, ihre Arbeit zu erledigen. Das würde mir später einige weitere hochnotpeinliche Untersuchungen ersparen.
Ganz der Profi, Herr Außenminister, dachte ich sarkastisch.
Vor der Tür der Villa blieb ich stehen und wartete darauf, dass sie mir geöffnet wurde. Das Gebäude war zweistöckig und wirkte aus der Nähe wesentlich zweckmäßiger und keineswegs so verspieltelegant wie aus der Ferne. Auch hier hatte man mit Holos der bescheideneren Wirklichkeit etwas nachgeholfen.
Die Tür glitt vor mir auf. Ich trat in ein neutral gehaltenes Foyer: glatte Wände, zweifellos mit Ortungs- und Waffensystemen gespickt, einige Terminals. Mir wurde klar, dass es sich bei diesem Eingang nicht um den Haupteingang der Botschaft handeln konnte. Oder herrschte auf Aralon so wenig Publikumsverkehr, dass man die wenigen Besucher in einer so familiären Atmosphäre abfertigen konnte?
Zwei weitere Botschaftsangehörige erwarteten mich, und sie bemühten sich, nicht zu verbergen, dass sie bewaffnet waren. Ganz im Gegenteil, sie richteten ihre Waffen unverhohlen auf mich.
»Woher kennst du den Notfallkode?«, fragte der Kleinere der beiden. »Wer bist du?«
»Julian Tifflor«, sagte ich, »Außenminister der LFT und damit euer oberster Dienstherr. Und jetzt bringt mich umgehend zu Botschafter Lampedusa.«
Ich gestattete mir einen Moment lang den Luxus, den Ausdruck auf ihren Gesichtern zu genießen. An irgendetwas erinnerte er mich; woran, konnte ich im Augenblick nicht sagen.
Aber er war köstlich.
»Julian Tifflor«, sagte Botschafter Arturo Lampedusa nicht zum ersten Mal. »Julian Tifflor. Kaum zu glauben, aber jeder Zweifel ist ausgeschlossen. Es steht außer Frage, dass du tatsächlich Außenminister Julian Tifflor bist.«
Ich lächelte den feisten Mann an. Er schien aus einer Ansammlung von Klischees zu bestehen: klein, untersetzt bis zur Fälligkeit, kurze Arme und Beine, fleischiges Gesicht. Unter seinen Augen hingen große Säcke, und sie waren von roten Adern durchzogen, die zum Teil geplatzt zu sein schienen. Seine Wurstfinger waren pro Hand mit zwei und drei protzigen Ringen geschmückt.
Der Name des Botschafters war mir natürlich bekannt gewesen, doch ich hatte ihm auf Anhieb kein Gesicht zuordnen können. Als ich ihn nun vor mir sah, fiel mir zu ihm lediglich ein, dass er auf
Terra als lebenslustig gegolten hatte. Und dass er von der Versetzung nach Aralon nicht besonders begeistert gewesen war.
Aber ich wollte nicht vorschnell über ihn urteilen. Vielleicht hatte er sich ja nur in eine Rolle hineingelebt. Vielleicht verbarg sich unter dem Äußeren des Ausschweifungen zugeneigten Genießers ein messerscharfer Verstand, der die Aras und andere Diplomatenkollegen damit nur glauben machen wollte, einen harmlosen, jovialen Trottel vor sich zu haben.
»Das soll Julian Tifflor sein?, ging es mir durch den Kopf«, sagte Lampedusa und sah mich aus großen Augen an. »Zuerst habe ich an einen schlechten Scherz gedacht, aber es ist wirklich kein Irrtum möglich.«
Nein, das war es wirklich nicht. Obwohl ich ihnen einige Überrangkodes genannt hatte, hatten sie mich auf Herz und Nieren überprüft. Individualimpulse, Retinavergleiche, DNS-Analysen und mehrere weitere Tests hatten in der Tat ergeben, dass ich trotz des veränderten Aussehens genau der war, für den ich mich ausgab.
Ich hatte alle diese Untersuchungen widerspruchslos über mich ergehen lassen, obwohl mir der Zeitdruck unter den Nägeln brannte und ich ständig an Perry an Bord der KAMMARA denken musste. Aber sie entsprachen den Vorschriften, und wer war ich, dass ich Regeln außer Kraft setzen konnte, die ich selbst angeordnet oder zumindest gebilligt hatte.
Ich sagte noch immer nichts und sah den Botschafter nur an. Hatte ich ihn wirklich ernannt und nach Aralon geschickt? Ja, ich entsann mich dunkel daran und bereute, dass ich damals wohl nur einen Datenträger unterzeichnet und mich nicht gründlicher mit den Vorschlägen meiner diplomatischen Berater befasst
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