PR Ara-Toxin 03 - Nekrogenesis
höchstens zwei Grad Celsius über Null, aber Marco fror nicht. Sein Blut war genügend in Wallung, um ihn trotz T-Shirt die Kälte vergessen zu lassen.
So richtig wusste er nicht, wie er sich verhalten sollte, aber es zeigte sich, dass sich alles von allein ergab. Die Einstiegsluke des Condora öffnete sich, die Leiter wurde ausgefahren, aber niemand stieg aus. Es war ganz offensichtlich: Sein Besuch wurde erwartet.
Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als er auf die Maschine zuging. Er wunderte sich über sich selbst, dass er so aufgeregt war. Die Frage, wer ihn erwartete, wurde übermächtig. In der Pilotenkanzel war niemand zu sehen und zu hören. Offenbar wollte sie ihn ein wenig zappeln lassen. Die Tür zum Wohnbereich stand offen. Marco trat ein.
»Jemand zu Hause?«, fragte er keck.
»Ich bin im Schlafzimmer, Marco«, erklang eine weibliche Stimme, die fast heiser wirkte. Das war eine volle, dunkel klingende Altstimme, nicht die eines Mädchens, sondern die einer reifen Frau. Marco war sicher, die Stimme zu kennen, sehr gut zu kennen, konnte sie aber einfach nicht unterbringen. Carmen jedenfalls war es auf keinen Fall, stellte er mit einem gewissen Bedauern fest.
»Und, Marco«, fuhr die Stimme fort, noch mühsamer beherrscht als zuvor, »du kommst doch nackt, oder?«
»Ja«, sagte er, und auch seine Stimme klang belegt. Er stieg aus der Jeans, riss sich T-Shirt und Slip vom Körper und stakste zu der halb offenen Tür des Raumes, aus dem die Stimme gekommen war.
Er trat ein und wurde von Wärme, süßem Parfümduft und dunkelrotem Licht eingehüllt. Vor ihm auf dem Bett lag eine Frau und lächelte ihm entgegen. Marco schluckte, als er sie erkannte. Sie war viel älter als er, aber immer noch eine bemerkenswerte, wenn auch langsam verblühende Schönheit. Er hatte sie immer verehrt, aber sie schien für ihn unerreichbar zu sein.
»Maria?«, fragte er ungläubig.
»Komm«, sagte sie sanft. »Ich freue mich auf dich.«
»Aber.«, begann Marco.
»Kein Aber«, beruhigte sie ihn. »Hat Juan es dir nicht gesagt? Ich wollte es, und er wollte es. Er wollte dich damit auszeichnen, dass er mich dir gibt. Nun komm schon!«
Wie ein Roboter gehorchte Marco ihrem Befehl. Maria da Silva, die Frau seines Maestro! Er konnte es einfach nicht glauben.
Danach lagen die beiden eine Weile schwitzend nebeneinander.
»Ich verstehe es immer noch nicht«, gestand Marco.
»Was gibt es daran zu verstehen?«, fragte sie lächelnd. »Ich habe deine Blicke sehr wohl bemerkt. Du hast mich immer gewollt, und ich dich auch. Aber eine Beziehung zu einem Aprendiz kam nicht infrage. Doch nun bist du kein Aprendiz mehr. Du und ich und Juan sind jetzt in gewisser Weise eine kleine familia innerhalb der großen familia Dos Sanchoz. Das ist gar nicht so selten, wie du vielleicht glaubst. Auch nicht bei dem beträchtlichen Altersunterschied.«
Sie kicherte, als sie Marcos betroffenen Gesichtsausdruck sah. »Gerate nur nicht in Panik, Kleiner. Du musst nicht befürchten, dass ich dir in Zukunft an die Wäsche gehe. Hier ist hier, und danach ist wieder alles wie zuvor. Nur dass wir beide einander genossen haben, dass Juan dies weiß und dass er es billigt.«
Er war nicht über ihre unverblümte Sprache verblüfft. In den Haciendas war man nicht prüde und nannte die Dinge beim Namen. Und selbst die Kirche pflegte einen ausgesprochen unbefangenen Umgang mit der Sexualität, auch wenn sie manchmal darüber klagte, dass allzu extensiv ausgelebte Promiskuität die Bindungsfähigkeit der Menschen beeinträchtigte.
Marco hatte mit ihr schlafen wollen, doch nun schämte er sich ein wenig. Er kam sich wie ein Verräter an seinem Maestro vor. Er zweifelte daran, dass er wirklich so bereitwillig seine Zustimmung gegeben hatte, wie Maria es darstellte. Kein Mann tat das, auch nicht nach langen Jahren der Ehe. Wahrscheinlich hatte sie ihn gedrängt, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Und am Ende hatte er sich geschlagen gegeben.
Wenn er deshalb einen Groll gegen mich hegt, verstehe ich das. Aber andererseits war es seine Entscheidung. Er wird damit umgehen können. Und er ist nicht mehr mein Maestro. Ich bin frei. Und wenn Maria die Beziehung doch fortsetzen will, kann ich mich dem leicht entziehen. In spätestens einer Woche bin ich vabundé und lasse alles hinter mir, was mit der Hacienda Dos Sanchoz zu tun hat.
»So still und grüblerisch, süßer Marco?«, fragte Maria sanft und streichelte ihn. Ihre Hand war warm, sehr warm. Sie
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