PR Ara-Toxin 05 - Die Trümmerbrücke
stetig veränderten, entweder zusammenschrumpften oder sich ausdehnten, je nachdem, aus welcher Richtung der Wind kam und ob er trockenen oder glühenden Sand mit sich trug.
Der Sturm hatte den Gleiter eingeholt. Mit hohlem Brausen peitschte er Unmengen Sand über den Boden, schliff Rinnen in den nackten Fels und ließ sichelförmige Dünen aufwachsen. Oyloz war eine Welt der Veränderungen, nicht nur, was ihre vulkanischen Aktivitäten anbelangte. Gewaltige Feuerlohen, die sich alles verbrennend über die Kontinente wälzten, schufen die Grundlage für eine rasche und üppig wuchernde Flora, sie verbrannten ihre Hinterlassenschaften aber auch ebenso schnell wieder. Landstriche, die das Feuer verschonte, wurden von den Stürmen geformt.
Nur wenige Sekunden hatte Julian gebraucht, um sein Erschrecken über Zhanas Veränderung in den Griff zu bekommen. Nun wandte er sich wieder ihr zu, wollte wissen, ob er halluzinierte oder selbst das nächste Opfer sein würde.
Alles in ihm sträubte sich gegen den Anblick. In dem Moment wollte er alles gleichzeitig tun, wollte ebenso aufspringen und sich auf Zhana stürzen wie nach der Waffe greifen. Sein Herzschlag raste, gehorchte nur widerwillig den beruhigenden Impulsen, die von seinem Aktivatorchip ausstrahlten.
Zhana reagierte immer noch nicht auf sein Entsetzen. Hatte sie überhaupt bemerkt, dass sie sich veränderte? Sie erweckte den Eindruck höchster Konzentration, als weile sie in Gedanken schon weit voraus in einer ungewissen Zukunft.
Ihr Haar, stellte Julian fest, war nahezu völlig verschwunden, und die bleiche Kopfhaut ließ ein filigranes Muster erkennen. Schuppen hatten sich herausgebildet - Schuppen, wie sie den Schädel eines Reptils auszeichneten. Ihr Farbton erschien ihm wie ein fahles Graugrün, das überall dort, wo Adern deutlich sichtbar unter den länglichen Hornscheiben pulsierten, einen orangefarbenen Schimmer erkennen ließ.
Mittlerweile verformte sich der Schädel. Er wölbte sich nach vorn zu einer dreieckig kantigen Form. Verhornte Lippen prägten jetzt dieses Gesicht, dazu die starr blickenden Augen. Und eine gespaltene Zunge zwängte sich witternd zwischen den Lippen hervor.
Julian ahnte mehr, als er erkennen konnte, dass Zhana sich ihm gleich zuwenden würde. Er schloss die Augen, versuchte, entspannt zu wirken. Das war eine der leichtesten Übungen, nur fragte er sich, ob sie den Betrug durchschaute.
Wenngleich sein Herzschlag sich wieder beruhigte, wirbelten seine Gedanken wild durcheinander. Tifflor fragte sich, wo Zhana sich zu dem Zeitpunkt aufgehalten hatte, als der Konsortiumsleiter Plob Arnoyn umgebracht worden war. Und danach? Aber das war Irrsinn, regelrecht verrückt.
»Julian!«
Ihre Stimme klang kalt. Und schwang da nicht ein leichtes Zischen mit? Das war die Stimme einer Mörderin. Hatte er nicht selbst erkannt, dass sie nichts bereute?
»... eines Tages wirst du überlegen, ob du mich nicht doch vor Gericht stellen sollst.« Genau das hörte er sie wieder sagen. Der Satz schwang in seinen Gedanken nach, schaukelte sich auf, wurde zum unheilvollen Dröhnen. War jetzt dieser Tag gekommen - eher als Tifflor es jemals für möglich gehalten hätte?
»Julian, was ist los mit dir? Ich kann förmlich riechen, dass du wach bist. Denkst du über den Residenten nach? Über euren Streit?«
»Das war kein Streit«, wollte er ihr entgegenhalten, »das war.« Was eigentlich? Endlich einmal die Wahrheit, die für gewöhnlich hinter respektvoller Anpassung zurückstehen musste? Hinter kulturellen Zwängen? Weil sich Aktivatorträger nicht gegenseitig das Leben schwer machten, selbst dann nicht, wenn sie gegensätzlicher Meinung waren?
»Ich muss nicht immer mit allem einverstanden sein, was Perry unternimmt«, antwortete Tiff. »Er hat es tatsächlich wieder geschafft, sich durchzusetzen. Vielleicht hätte ich doch zur Erde zurückfliegen sollen.«
Sicher sogar. Dann hätte er Zhana aus der Gefahrenzone herausgenommen. Sie hatte ebenfalls deutlich genug für Terra plädiert und ihn unterstützt. Aber war das alles nur zum Schein gewesen?, fragte sich Tifflor. Eine Art Alibi?
»Hm.«, machte Zhana versonnen.
Julian blinzelte. Im selben Moment wandte die Ara-Frau ihm den Kopf zu. Sie lachte, als sie seine verkniffene Miene sah.
»Siehst du Gespenster, Außenminister?«
Diesmal schwieg er.
Mit einer knappen Bewegung schüttelte Zhana die Haare in den Nacken zurück. In ihren roten Augen blitzte es begehrlich, dann konzentrierte sie
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