PR Ara Toxin 6 Der Unlichtplanet
war.
Handverlesene Besatzungsmitglieder der INSTIN hatten ihn begleitet; Weggefährten waren sie, die seit mehr als 30 Jahren bei ihm Dienst leisteten. Wahrscheinlich würde er die Duplos töten müssen; je weniger Lebewesen vom heutigen Treffen wussten, desto besser. Aset-Radol fühlte Angst. Panik. Die Furcht, das Falsche zu tun. Mit gehetzten Blicken sah er sich im Versammlungsraum um. An einem hochpolierten Tisch saßen vier weitere Meister. Sie wirkten angespannt so wie er. Einer, der hünenhafte Comden Partan, klopfte mit einem länglichen Gegenstand in langsamem Rhythmus aufs Holz. Es war sein Zellaktivator, den er derart malträtierte. Ein anderer, Ba-rim Nantor, trank gierig aus einem zinnoberroten Becher. Der stechende Geruch nach hochprozentigem Alkohol lag in der Luft. Zeno Kortin, Nantor und Soynte Abil saßen sich gegenüber. Vor ihnen schwebten Hunderte Stäbchen in einem verwirrenden Konstrukt, dessen Umrisse entfernt einem miniaturisierten Zweibeiner ähnelten. Abwechselnd korrigierten die Meister die Positionen einzelner Stäbe. Kügelchen drangen mit jedem Spielzug aus dem Innersten des Bauwerks; sie explodierten in einem Feuerwerk aus Düften, Geräuschen und Bildern und dokumentierten das Ergebnis der Veränderung an der Struktur.
Die drei Meister konzentrierten sich auch auf Abstrakta, ein kompliziertes Gesellschaftsspiel. Aset-Radol hatte sich vor langer Zeit eingehend damit beschäftigt. Ziel des Spiels war, durch die Stäbe, die jeweils einem verkürzten und vereinfachten DNA-Strang ent-sprachen, den Charakter eines möglichst perfekten Tefroders lebendig werden zu lassen. Schaffte man es, den virtuellen Homunkulus anhand einer langen Liste an Vorgaben durch die eigenen Abänderungen lebensfähig zu halten, hatte man gewonnen.
Aset-Radol konzentrierte sich wieder auf Kolin-Uns.
Faktor XI trug eine lächerlich wirkende, auf den Boden reichende Robe. Feinste Platinfäden, in einem verwirrenden Muster angeordnet, gaben dem schweren Stoff eine besonders exklusive Note, und es hätte Aset-Radol nicht gewundert, wenn in dem schweren Stoff nicht auch immens wertvolle Howalgonium-Splitter eingearbeitet waren.
»Faktor I ist ein Übel«, begann der Renegat übergangslos seine Rede. Er bedeutete Aset-Radol, am ovalen Tisch Platz zu nehmen, und begab sich selbst an dessen Schmalseite. »Er spielt Verstecken mit uns, er weiht uns in keinen seiner Pläne ein, er hetzt uns gegeneinander auf. Bislang ist es ihm gelungen, das Misstrauen in unseren Reihen so weit zu schüren, dass wir es uns nicht erlauben, untereinander offene Worte zu finden.« Kolin-Uns räusperte sich. »Ich habe mich eingehend mit jedem einzelnen Meister befasst - mit Ausnahme von Faktor I, selbstverständlich.« Er lächelte gezwungen. »Die Auswertung aller Charaktere hat mich dazu bewogen, einen Teil unserer kleinen Gruppe hierher einzuladen - und andere wiederum nicht. Im Kern meiner Überlegungen über das Warum der heutigen Zusammenkunft steht das Maß an Unzufriedenheit über den Kurs von Faktor I und die etwaig vorhandene Willenskraft, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. In aller Bescheidenheit glaube ich sagen zu dürfen, dass ich geeignet wäre, eine. Rebellion gegen den obersten Renegaten anzuführen.«
»Mit anderen Worten: Sie wollen Faktor I ersetzen und dessen Platz einnehmen?«, fragte Comden Partan lauernd. »Was würde sich für uns denn ändern? Und: Wer sagt uns, dass Sie nicht von ihm vorgeschickt wurden, um unsere Loyalität zu testen?«
»Niemand kann Ihnen dafür eine Garantie geben, Faktor XIII.«
Kolin-Uns zuckte mit den Achseln. »Doch überlegen Sie: Jahrtausende sind vergangen, während derer wir Handlanger einer einzelnen Person waren. Wir haben uns in Furcht und Paranoia vergraben, uns voneinander abgeschottet, jeglichen sozialen Kontakt gemieden. Ist das denn ein Leben, wie Sie es sich vorgestellt haben? Wollten Sie damals, als Sie den Zellaktivator verliehen bekamen, nicht ganz andere Dinge erreichen? Was ist denn übrig geblieben von den Werten, die wir uns alle ans Heft geklebt haben?«
Aset-Radol versuchte sich zu erinnern. Er wusste keine Antwort. Moralische Vorstellungen hatten sich verschoben. Dinge, die ihm früher einmal wichtig gewesen waren, besaßen nun keinerlei Bedeutung mehr. Und umgekehrt: Nebensächlichkeiten waren in ihrer Wertigkeit gestiegen, nahmen heutzutage wesentlich breiteren Raum ein. Die Zeit hatte Antworten geschluckt und neue Fragen aufgeworfen.
»Hier und heute
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