PR Ara Toxin 6 Der Unlichtplanet
streckte seine Glieder und tat ein paar Schritte den Hügel hinauf. Die müden, abendlichen Strahlen seiner Sonne waren auf den obersten Spitzen des Yakuva-Baums nur noch zu erahnen. Die Nacht kam. Sie würde den Unlichtplaneten in nahezu vollkommene Schwärze hüllen. Nur dünne Leuchtgespinste blieben dann hängen. Spinnweben, weiträumig verteilt, die beeindruckende Bilder in die Dunkelheit zauberten.
Aset-Radol hatte den Unlichtplaneten anfertigen lassen und eine Sonne für ihn ausgesucht. Damals, in der Hohen Zeit. Als er am Zenit seiner Macht stand und sich aus den Fängen der Verantwortung befreit hatte. Ein ganzes Universum stand ihm offen, und er hatte jedwede Möglichkeit genützt, um die neu gewonnene Freiheit durch Monumente wie dieses hier manifest werden zu lassen.
Eine Frucht zupfte mit ihren Fühlern an seinen Knöcheln. Sie wollte ihn zum Stamm des Sechzehnten Yakuva-Baums zurücklocken, damit er in seinen Erzählungen fortfuhr. Die Haut der Frucht wirkte schmalzig und prall. Sie hatte dringend notwendige Nährflüssigkeit aus den Wurzeln seines Elters gezogen und benötigte nun, gestärkt und gesättigt, weiteren Ideenstoff.
»Ich komme«, murmelte Aset-Radol. Er streichelte beiläufig über die weit herabreichenden Blätter des Elterbaums. Sie fühlten sich saftlos an. Der vielhundertfache Fruchtfall zehrte an der Substanz
des Geschöpfs.
Selbstverständlich hätte er den Yakuva stärken können. In vielerlei medizinischen Teilbereichen galt er als Koryphäe. Sein Wissen war unvergleichlich, und er hatte es mehr als einmal fruchtbringend eingesetzt.
Doch es würde Ehrgefühl und Stolz des Yakuva nicht gut tun, versorgte er ihn mit den Mitteln moderner Dendro-Medizin. Viele Lebewesen benötigten weitaus mehr als Medikamente. Trost, Fürsprache und Zuneigung waren Elemente, die in der Gesundung eines Lebewesens seit jeher eine völlig unterschätzte Rolle spielten. Der Yakuva war eines der sensibelsten Geschöpfe, das er jemals kennengelernt hatte. Möglicherweise beschloss er, seinem Leben ein Ende zu setzen und die Wurzeln Richtung Himmel zu strecken, wenn Aset-Radol ihm in guter Absicht Medikamente zusetzte.
Er hockte sich hin. Die Dunkelheit unter dem dichten Blätterdach war nahezu allumfassend. Kleine Phosphorelemente in den Facettenaugen der Früchte sorgten für ein unruhiges Auf und Ab rings um ihn.
»Wo war ich stehen geblieben, meine Kleinen?«, fragte er zerstreut. »Ach ja. wir waren beim Verrat an Mirona Thetin.«
Aset-Radol: Vergangenheit
Kolin-Uns war ein Tefroder, dessen Blut verwässert war. Seine Haut war um eine Nuance heller als die seiner Gefährten, und am Hals zeigte sich eine ungewöhnliche Schuppenflechte, die keinesfalls im Krankheitsbild geborener Lemurischstämmiger verankert war.
Aset-Radol störte sich nicht an der geringfügigen Andersartigkeit von Faktor XI, im Gegenteil: Eine Durchmischung des tefrodischen Genpools barg viele Vorteile, wie er aufgrund seiner Grundlagenforschungen nur zu gut wusste.
Kolin-Uns selbst war das Problem: Er fühlte sich minderwertig im Kreis der Meister. Er unternahm alles, um diese Gefühle durch Übereifer in allem, was er tat, zu kompensieren. Er hatte ihnen mehr als einmal deutlich gemacht, dass er nicht glaubte, sich in diesem erlauchten Kreis der Unsterblichen als Gleichberechtigter bewegen zu dürfen.
Faktor XI war ein Opportunist. Er zeigte sich herrisch und arrogant. Er liebte den Prunk, überspielte den geringfügigen körperlichen Mangel mit besonderer Geltungssucht.
Als Ironie des Schicksals hatte sich Kolin-Uns den Ruf als profiliertester Psychologe der MdI redlich erworben. Punktgenau trafen seine Diagnosen nicht nur auf Einzelwesen, sondern auch auf ganze Stämme und Völker zu. Kolin-Uns hatte eine außerordentliche Begabung, die fast an Zauberei grenzte - und ausgerechnet bei ihm selbst versagte.
»Es freut mich, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind«, sagte
Faktor XI. Er nickte knapp und deutete eine Verbeugung an.
Der Gesichtsausdruck strafte seine Worte Lügen. Sie mochten sich nicht, hatten sich niemals ausstehen können. »Sie sind der Letzte in unserer Runde. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Anreise?«
»Es geht.« Es hatte Aset-Radol Tage gekostet, über die Transmitterstrecke nach Karahol zurückzukehren. In eine einsame Sternen-bastion der Meister am Rand der riesigen Galaxis, in eine namenlose Station, die tief in den Fels eines leblosen Asteroidenbrocken getrieben worden
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