PR NEO 0035 – Geister des Krieges
gesamten Gruppe zu einem eigentlich unerlaubten Vorrat an Nahrungsrationen verholfen hatte. Die Geschichte klang zwar entfernt amüsant, sagte aber kaum etwas über die Zivilisation, aus der er stammte. Doch genau die interessierte Novaal deutlich mehr.
Sosehr er auch nachhakte, blieb Grek 691 merklich vage. Politik, Geografie und soziologische Hintergründe – Informationen, dank derer Novaal ihn besser hätte verorten können – schienen ihn nicht zu interessieren.
Was kümmern dich die Ammoniakseen meiner Heimatwelt?, blaffte er zurück, als Novaal ihn wieder einmal mit einer Detailfrage behelligte.
Novaal begriff: Grek 691 war kein Experte auf derlei Gebieten. Da er sich diese Blöße aber nicht anmerken lassen wollte, überdeckte er sie durch Bissigkeit – und wechselte dann das Thema.
Und doch: Mit jedem für sich genommen unwichtigen Detail, das der Datengeist ihm offenbarte, fühlte Novaal sich Grek 691 enger verbunden. Die Stimme aus dem Tarkanchar mochte einem Fremden gehören, der einer Novaal unbekannten Kultur entstammte, seine Ängste und Sehnsüchte als Mann des Krieges klangen allerdings äußerst vertraut.
Vermutlich sind Soldaten überall gleich, ahnte Novaal. Ihre Erlebnisse ähneln einander, ob sie nun Naats sind, Menschen oder Greks.
Welch eigenartiger Gedanke. Abermals sah Novaal zum Himmel. Das sternenreiche Firmament jenseits der Energiekuppel war eine Schlacht für sich, ein ganz eigenes Soldatengrab. Zahlreiche Schiffe der Topsider hielten ihre Positionen, und was von Arkons Verband noch übrig war, mühte sich redlich, Schneisen in die Defensive der Echsen zu schlagen. Ein eigenartiges Gefühl stieg in Novaal auf: Einerseits fühlte er sich diesem Kampf sehr nah, verstand sich als Teil von ihm, andererseits kam er sich ihm auch entsetzlich weit fern vor.
Plötzlich erkannte er noch eine Parallele zwischen sich und dem Geist des Tarkanchar – allerdings eine äußerst einzigartige. Für ihn und die übrigen Naats der imperialen Schiffe war die Schlacht um Rayold ein Himmelfahrtskommando. Sergh da Teffron rechnete nicht mit ihrem Sieg. Alles, was die Hand des Regenten wollte, war, dass Novaal und seine Soldaten die Festung sturmreif schossen. Und Novaal hatte keine andere Wahl, als zu gehorchen. Die Arkoniden befahlen den Naats, so war es schon immer gewesen. Und Sergh da Teffron hatte Sayoaard in seiner Gewalt. Der Junge würde sterben, rebellierte Novaal. Ihm blieb nur, im Kampf einen ehrenvollen Tod zu suchen.
»Du bist auch im Kampf gestorben«, sagte er nachdenklich zu seinem seltsamen Begleiter. »Weil du den Befehl anderer Wesen befolgtest.«
Doch jenem Soldaten, der der Datengeist gewesen war, blieb die Ehre verwehrt. Wurde das Sterben nicht beliebig, wenn der Tote auch danach noch präsent war und zu allem seinen Kommentar abgeben konnte? Entehrte man den Tod nicht, indem man ihn eines Teils seiner Endgültigkeit beraubte?
Angestachelt von Novaals Bemerkung, schilderte Grek 691 gerade mit spürbarer Begeisterung, welche Waffensysteme sein kleines Kampfschiff besessen hatte.
Novaal unterbrach ihn sanft: »Hattest nur du einen Tarkanchar bei dir, als du starbst? Oder gehörte er zu eurer Standardausrüstung?«
Nur ich? Wo denkst du hin? Selbstverständlich zog niemand von uns ohne in die Schlacht. Zumindest kannte ich keinen Kameraden, der ohne war. Wir trugen sie ständig bei uns, dies- und jenseits der Schützengräben.
Das klang sinnvoll. Um ein möglichst genaues Abbild des Trägers zu erstellen, musste das edelsteinförmige Gerät – und nicht zum ersten Mal fragte Novaal sich, ob es ein Stück Technik oder doch natürlichen Ursprungs war – diesen auch in allen Lebenssituationen begleiten. Nicht nur in den Extremen.
Was versprach sich Greks Kultur von den Tarkanchar? Welchen Nutzen hatte es für eine Gesellschaft, die mentale und charakterliche Präsenz ihrer Gefallenen festzuhalten?
Novaal wollte gerade danach fragen, als ihn ein Flackern des Energieschirms stutzen ließ. Einmal mehr schaute er zum Himmel – gerade rechtzeitig, um seinen Verdacht bestätigt zu finden.
Der Schutzschirm! Staunend riss er die Augen auf, spähte durch das Visier seines Helmes. Er ist fort!
Die riesige, das Mondtrümmerstück umhüllende Blase aus Energie existierte nicht mehr. Was in aller Welt geschah dort draußen? Streckte das Despotat die Waffen? Hatten die Überlebenden der KEAT'ARK die Festung erobert und den Schirm desaktiviert? Oder spielten die Topsider ein
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