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PR NEO 0035 – Geister des Krieges

PR NEO 0035 – Geister des Krieges

Titel: PR NEO 0035 – Geister des Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Humberg
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Blick geht zum Himmel über Chassiber, und ich sehe eine gewaltige Angriffsflotte auf uns zuhalten. Dann ein stechender Schmerz – und alles ist vorbei. Er schwieg einen Moment. So ist der Tod, Novaal: Er besteht aus Bedauern, Schmerz und unbeantworteten Fragen.
    Novaal fühlte sich, als wäre er dabei gewesen. So lebhaft war die Schilderung des Datengeistes, dass er die Schritte des Stickstoffers auf dem kargen Boden des Mondes knirschen zu hören glaubte und die hasserfüllte Visage hinter dem Helmvisier seines Kampfanzuges sah.
    Aber das konnte nicht sein. Arkoniden waren gerechte Wesen. Jeder Naat wusste das. Novaal kannte sich nicht in arkonidischer Geschichte aus – Grek 691 hatte vollkommen recht, wenn er Soldaten als Personen schilderte, die außerhalb des Informationsflusses standen –, doch das wenige, das er im Laufe seiner Lebensjahre gelernt hatte, belegte seinen Eindruck. Daheim auf Naat ...
    Er stutzte. Was, wenn die Geschichten, die die Naatkinder über die ruhmreichen Arkoniden erzählt bekamen, nur Lügen waren? Nur Propaganda?
    Nein. So durfte er nicht denken. Wem glaubte er mehr – einem mysteriösen Datenspeicher oder den Lehren und Erfahrungen seines eigenen Lebens? Grek 691 log nicht, das spürte Novaal, aber er irrte, musste sich irren.
    »Das waren keine Arkoniden«, murmelte Novaal fast schon ein wenig trotzig.
    Glaub, was du willst, Naat, aber ich war dabei. Der Datengeist stockte. Sie überfielen und zerstörten unsere Kolonie. Sie schossen unseren Mond in Stücke.
    Die sechsundfünfzig Materieklumpen, die Tatlira IV umkreisten. War das ihr Schicksal gewesen? Hatte ein Angriff der Arkoniden aus dem Mond Chassiber das schwebende Meer aus Gesteinsbrocken werden lassen, die nun Rayold umkreisten? Es erklärte, wo der Tarkanchar herkam und was der Speichergeist eines Maahks auf Rayold I machte. In zehntausend Jahren mochte sich vieles verändern, doch manche Kleinigkeiten überdauerten selbst den Zahn der Zeit.
    Sosehr sich Novaal diesen Schlussfolgerungen auch verweigerte, so plausibel wirkten sie auf ihn. Rayolds Mond war keiner Naturkatastrophe zum Opfer gefallen, sondern einem Ausbruch roher Gewalt.
    Plötzlich musste er an die Ereignisse von vorhin denken, als der Energieschirm, der Rayold I umgab, kurzzeitig verschwunden war. Novaal sah die waghalsigen Manöver der imperialen Schiffe wieder vor sich, den gnadenlosen Beschuss durch die Topsider. Er glaubte einmal mehr zu spüren, wie der Boden gebebt hatte, als die Topsider ihn vom Orbit aus ins Visier nahmen. Das ganze grauenvolle Spektakel hatte nur Minuten gedauert – zumindest soweit er es aus seinem Versteck heraus beobachten konnte –, ein Beispiel roher Gewalt.
    Ausgeübt von imperialen Schiffen.
    Geschichte wiederholt sich, sagte Grek 691 so passend, als könne er doch in Novaals Gedanken lesen. Weil wir nicht aus ihr lernen. Oder weil wir so dumm sind, einmal Gelerntes im Laufe der Generationen wieder zu vergessen. Er zögerte kurz. Ich starb durch die Hand eines Arkoniden, Novaal. Wenn du mir nur eine Sache glauben willst, so glaube diese. Es war ein weißhaariger Stickstoffer, der mir Methan das Leben nahm.
    Methan? Novaal sah ratlos zu dem kleinen Edelstein in seiner Hand. »Sagtest du nicht, dein Volk heiße Maahk?«
    In seiner eigenen Sprache, ja. Die Stickstoffer nannten uns anders. Sie beschimpften uns stets als Methans.
    Novaal lauschte dem Wort nach. Methans ... Stickstoffer ... Begriffe und Eindrücke wirbelten in seinem Geist hin und her, und sosehr er sich auch bemühte, bekam er sie nicht alle in eine Ordnung.
    Die fremde Gestalt sah er erst, als es viel zu spät war: ein dunkler nur im Winkel seines rechten Auges wahrgenommener Schatten. Novaal wirbelte herum, griff erschrocken zum Strahler, den ein schneller Fußtritt wegschmetterte.
     
    Reban-Terkh atmete tief durch. So konnte er arbeiten.
    Einerseits hatte sich nichts geändert, andererseits schien alles anders zu sein – und zwar weil er es wollte. Sorgfältig beobachtete der junge Adjutant seine Displays und Konsolen, konzentrierte sich auf die ihm übertragene Aufgabe.
    Wann immer er die Zeit fand, warf er einen kurzen Blick zum Tisch in der Mitte der Zentrale. Über diesem schwebte die von der Taktik erstellte grafische Holo-Animation der Schlacht um Rayold I – ein nüchternes Gebilde aus bunten Punkten und prognostizierten Linien, das so viel mit den realen Aufnahmen der Gewalt und des Grauens dort draußen zu tun hatte wie ein arkonidischer

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