PR NEO 0039 – Der König von Chittagong
hastig einige Notizen mit Empfehlungen darauf. »Gib ihm das und sag ihm, dass du mit Sue gesprochen hast. Verstanden?«
»Verstanden.«
Er nahm das Stück Papier nur widerwillig an. Hoffentlich würde er es weiterreichen. Mark war wohl stets enttäuscht worden, wohin auch immer er und seine Eltern sich gewandt hatten. Er gierte nach Fürsprache und Interesse, wollte es aber nicht zeigen.
»Und rede mit deinen Eltern. Sie sollen wissen, dass du sie brauchst, um die Nachbehandlungen gut zu überstehen.«
»Du kennst sie nicht!«, brach es aus Mark heraus. »Sie kümmern sich bloß um ihr Geschäft, und wenn ich mich darüber aufrege, schenken sie mir ... Sachen.«
»Ich verstehe.« Sue nickte. »Aber du bist alt genug, um dich dagegen zu wehren. Sag ihnen, was du brauchst. Mach dich bemerkbar. Zwing sie zuzuhören.«
»Das sagt sich leicht, Sue. Sie sind die schrecklichsten Eltern der Welt!«
»Immerhin hast du welche.« Sue stand auf. »Ich musste ohne welche aufwachsen. In einem Heim für ... hm ... schwer erziehbare Kinder.« Sie drückte ihm die Hand, als wäre er ein Erwachsener, klopfte dem verdattert wirkenden Jungen auf die Schulter und verließ dann die Abteilung, ohne sich nochmals umzudrehen.
Sie floh; nicht nur, weil ihr der letzte Teil ihres Gesprächs mit Mark unangenehm geworden war, sondern auch, weil sie gut daran tat, Haggard derzeit nicht unter die Augen zu kommen. Er hatte gute Gründe, böse auf sie zu sein, und Sue wusste das.
Also weiter. Hoch ins Institut für Virologie. Eben wurde neue Hardware angeliefert; riesige Kästen, die mehr wie Prototypen denn wie erprobte Analysegeräte wirkten. Techniker rätselten darüber, wie sie die mannshohen Kästen in die bereits bestehende Infrastruktur einfügen sollten; Software-Spezialisten mit tiefen Ringen unter den Augen lehnten sich an ihre Prüfstände, in seltsamen Rechnerwelten verhangen, die auch für sie Neuland darstellten.
Die Geräte waren Hybride; das Zusammenspiel arkonidischer Hochtechnologie und terranischer Ingenieurskunst. Womöglich hatten sie in einem halben Jahr bereits wieder ausgedient und wurden durch neues, verbessertes Maschinenwerk ersetzt. Sie kosteten Unsummen, und es war Homer G. Adams hoch anzurechnen, dass er derzeit so viel Geld in den Klinikbereich investieren ließ.
Sue blickte sich um. Bei der Untersuchung Marks hatte sie einige neue Erkenntnisse gewonnen, die sie so rasch wie möglich festhalten wollte. Womöglich war Doktor Spitznase anwesend, dessen richtigen Namen sie nicht kannte und der es stets schaffte, sie von ihren trüben Gedanken abzulenken, die sich im Laufe eines langen Arbeitstages so anhäuften. Und bei der Gelegenheit konnte sie gleich einen Rundgang durch den Hochsicherheitstrakt der Abteilung unternehmen.
Sue hatte ihren Pod vor Stunden ausgeschaltet; andernfalls wäre sie kaum dazu gekommen, den Menschen zu helfen. Hunderte wollten Tag für Tag mit ihr telefonieren. Es wurde ihr langsam zu viel.
Wann war der Übergang geschehen? Wann war sie sich ihrer Rolle und ihrer Verantwortung bewusst geworden?
Die Abenteuer gemeinsam mit Sid, das Zusammentreffen mit anderen Mutanten, die Aufregung um die Gründung Terranias und die Begegnung mit Perry Rhodan – war das alles wirklich erst einige wenige Monate her? Wann hatte sie aufgehört, dieses junge, etwas nervöse Ding zu sein, das geglaubt hatte, auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein? Wann hatte sie bemerkt, welchen Wert ihre Begabung als Metabio-Gruppiererin wirklich besaß und welche Verantwortung nun auf ihren Schultern lastete?
»Ich bin sechzehn, verdammt!«, sagte sie und achtete nicht auf die verwunderten Blicke eines Assistenzarztes, dem sie eben auf dem Gang begegnete.
Mark war bestenfalls drei Jahre jünger als sie. Und dennoch hatte sie sich wie seine Mutter benommen – und auch so gefühlt. Ihre Jugend war unbemerkt zu Ende gegangen.
Sie durchwanderte die Trakte, hörte zu, versprach Hilfe und heilte. Alles funktionierte so, wie sie es sich vorstellte. Ihre Begabung ließ sie selbst die komplexesten Zusammenhänge instinktiv verstehen, und wenn sie sich einmal in einen Fall verbissen hatte, fand sie auch eine Lösung.
Irgendwie bin ich auch ein Star, dachte sie voll Stolz. Zwar einer, der unerkannt bleibt, aber immerhin.
Eine der Notaufnahmen. Hierher wurden Patienten aus aller Herren Länder gebracht und je nach ihrer Krankheit den jeweiligen Stationen zugeteilt. Aber es waren auch Bewohner aus Terrania
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