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PR NEO 0039 – Der König von Chittagong

PR NEO 0039 – Der König von Chittagong

Titel: PR NEO 0039 – Der König von Chittagong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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beherrscht, und irgendwann, als die Explosionen und die Geräuschsalven der Maschinenpistolen nachließen, verkrochen sie sich unter ihren Decken. Um in einen unruhigen Schlaf zu fallen, stets darauf vorbereitet, das Hotelzimmer so schnell wie möglich zu verlassen.
     
    Am nächsten Morgen herrschte im Hotel Normalität. Der Kellner bediente sie mit ausgesuchter Höflichkeit, das Küchenpersonal verrichtete seine Arbeit gut gelaunt.
    Sie kennen es nicht anders. Sie freuen sich über die guten Stunden, und dies sind gute Stunden für sie. Sie haben Arbeit, verdienen besser als 99 Prozent ihrer Landsleute, und sie genießen eine gewisse Sicherheit im Inneren des Gebäudes.
    Neue Bodyguards umringten ihre Klienten. Sie gaben sich nicht einmal die Mühe, ihre Waffen zu verbergen. Die beiden Bosse indes benahmen sich so, wie sie es jeden Morgen taten: Sie rissen dumme Witze und lachten darüber. Ihre schrill geschminkten Begleiterinnen fielen pflichtbewusst in das Gekreische ein. Cocabetta-Blätter lagen griffbereit auf dem Frühstückstisch. Das Rauschmittel wurde eifrig konsumiert. Am Vormittag würden die beiden Männer ihren Geschäften nachgehen, um sich dann während der Nachmittags- und Nachtstunden zu vergnügen.
    »Lass uns verschwinden«, sagte Kakuta, kaum dass er die kleine Schüssel mit gesüßtem Reis aufgegessen hatte. »Ich brauche frische Luft.«
    Sengu nickte. Auch er atmete erleichtert durch, nachdem sie die Liebliche Orchidee hinter sich gelassen hatten. Im kleinen Laden gegenüber kauften sie Getränke und Dörrfleisch; dann machten sie sich auf den Weg.
    »Wir haben nicht mehr viel Zeit«, sagte der Spähermutant. »John erwartet Resultate.«
    »Das weiß ich!« Warum sprach Sengu immer wieder über das Offensichtliche? Beide kannten sie die Eigenarten John Marshalls gut genug. Der Amerikaner legte Wert auf Effizienz. Erwies sich eine Spur als nicht ergiebig, erwartete er, dass sie die Suche abbrachen und nach Terrania zurückkehrten.
    Doch dieser Fall rechtfertigte Geduld. Ein Kind, das Metalle zerstören oder auflösen konnte ... Kakuta staunte über die Vielfalt der Begabungen, die Menschen auf der ganzen Welt in sich trugen.
    Der Pod funktionierte wieder mal nicht. Sie mussten sich während der Suche nach Sandhya auf ihre Ortskenntnisse verlassen und sich durchfragen. Ihr Ziel war eine christliche Missionsstation, die auf ihrer Karte zwar angemerkt war, über die aber keiner der Einheimischen Bescheid wusste. Ihnen wurden vage Richtungsanweisungen gegeben. Wie immer begegneten ihnen die Chittagonger voll Furcht. Fremde bedeuteten selten etwas Gutes für sie. Dies hatte sich seit den Zeiten der britischen East India Gesellschaft nicht geändert.
    Die winzigen Häuser rückten näher zusammen. Die Blechdächer verschmolzen miteinander und bildeten bald eine durchgehende Front, die bloß von Ruinenfeldern unterbrochen wurde. Dort herrschten unterarmlange Ratten, die auch nicht davor zurückschreckten, im Tageslicht Jagd auf kleinere Haustiere und Kinder zu machen. Überall hatten sich Schlick und Morast abgelagert, es roch nach verfaulten Algen.
    »Dort muss die Mission sein«, sagte Sengu mit unsicherer Stimme. Er deutete in Richtung einer gemauerten Häuserfront, an deren Seiten Zeltplanen aufgespannt waren, die den Menschen bescheidenen Schutz boten.
    Eine Glocke läutete. Es war ein ungewohntes Geräusch, und es klang trotzig. In Chittagong hatten die Imame das Sagen, und in manchen Teilen der Stadt galt angeblich die Scharia. Doch jene Krieger, denen sie bislang begegnet waren, hatten mit der Einhaltung von Religionsgrundsätzen nichts am Hut gehabt; ganz im Gegenteil.
    Das Mauerwerk erwies sich beim näheren Hinsehen als rissig. Manche Löcher deuteten darauf hin, dass geschossen worden war.
    Kakuta betrat die Mission. Sie war wie ein Vierkanthof angelegt, fast eine Trutzburg. Doch dieser Eindruck verwischte rasch, denn hier sah es nicht viel anders aus als vor den Toren des Schutzhauses. Frauen und Männer lagen apathisch auf Jutesäcken, meist von Drogen betäubt. Greinende, abgemagerte Kinder stapften durch den Matsch, ziellos und ohne Verständnis für das, was sie erleben mussten.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte ein groß gewachsener Mann in Englisch mit einem Akzent, der ihn als Franzose auswies. Er trug eine einfache Kutte, die noch armseliger wirkte als das, was die Hilfesuchenden ringsum am Leib trugen. »Ich bin Andreas, der Leiter der Mission.«
    »Wir sind auf der Suche nach

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