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PR NEO 0039 – Der König von Chittagong

PR NEO 0039 – Der König von Chittagong

Titel: PR NEO 0039 – Der König von Chittagong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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überaus interessant.«
    Warum spielte sie mit ihm? Was hatte diese spröde Frau bloß an sich, das ihn so sehr reizte? »Ich könnte ein wenig Unterhaltung gebrauchen.«
    »Und du meinst, ich würde jederzeit bereitstehen, Gewehr bei Fuß?«
    Marshall schwieg lange. Mühsam brachte er ein geflüstertes »Bitte!« hervor.
    Tatjana Michalowna musterte ihn und kappte dann wortlos die Verbindung. Wenige Minuten später hörte er das Klappern ihrer Schuhe auf dem Gang vor seinem Büro. Sie führte ein kurzes Gespräch mit dem diensthabenden Sicherheitsmann und trat dann ein, das dunkelbraune Haar offen tragend, dezent geschminkt, durch einen langen Mantel vor der nächtlichen Kälte auf dem Institutsgelände geschützt.
    Marshall bedeutete ihr, leise zu sein, während sie sich an Quiniu Soptor und Sue Mirafiore vorbei in sein Zimmerchen schlichen. Sein Herz schlug laut und unregelmäßig. Er war aufgekratzt und munter und erschöpft und gierte dennoch nach den Berührungen dieser Frau. »Leg den Mantel ab«, sagte er und tastete über ihr Gesicht.
    »Gerne. Es ist grässlich warm hier drin. Ich liebe die russische Kälte ...«
    Marshall presste seinen Mund auf ihren und schob den Mantel hastig über ihren Körper.
    Sie war nackt darunter, und ihr Leib glühte vor Hitze.

5.
    Ein Mutant auf der Suche
     
    Ordnung in das entstandene Chaos bringen. Sich selbst in das veränderte Koordinatensystem einfügen, das durch die Teleportation entstanden war, und nach Gefahren suchen. Nachdenken, weitere Schritte planen.
    Dies alles sollte geschehen, ohne dass er darüber nachdachte. Doch Tako Kakuta hatte gehörige Mühe, sich zurechtzufinden. Sein ehrloses Verhalten, das er eben zur Schau gestellt hatte, beschäftigte ihn über alle Maßen und ließ ihn selbst die einfachsten Verhaltensregeln vergessen.
    Links von ihm ragte weiß gekalktes Mauerwerk hoch. Löchrig, moosbewachsen, den Meereswitterungen ausgesetzt. Er befand sich in unmittelbarer Nähe eines alten Leuchtturms, den er als einen seiner Fluchtpunkte auserkoren hatte. Seemöwen krächzten, meterhohe Wellen gischteten gegen den Fels, ein paar Dutzend Meter von ihm entfernt. Ein Unwetter zog auf, und es brachte frischen Wind mit sich.
    »Was habe ich getan?«, fragte er sich – und gleich noch einmal: »Was habe ich getan?«
    Er hatte Sandhya unter Druck gesetzt, ihn in die Ecke gedrängt – und war bereit gewesen, dem Jungen körperliches Leid anzutun, um sein Ziel zu erreichen. Er hatte ein Verhalten an den Tag gelegt, das er im Camp Specter kennengelernt hatte.
    Kakutas Ehre war zweifelsfrei beschädigt. Er hatte vor Sandhya und vor seinem Freund Wuriu Sengu das Gesicht verloren – doch war der Schaden wiedergutzumachen?
    Er tat ein paar Schritte die Mauer entlang, dann zurück, wie ein gereiztes Raubtier. Er vermochte kaum zu atmen. Eine Last lag auf seiner Brust, und sie wurde immer schwerer, je länger er über sein Verhalten nachdachte.
    Sepukku!, dachte er. Ritueller Selbstmord. Das ist die einzige Lösung.
    Was für ein Unsinn! Sepukku war den Samurai vorbehalten gewesen – oder solchen, die sich dafür gehalten hatten. Der letzte bekannte Fall einer rituellen Selbstentleibung war im Jahr 2025 geschehen, als sich der Direktor des Atomkraftwerks Shimane zum Entsetzen aller Pod- und Fernsehzuschauer vor laufenden Kameras hingekniet und sich ein Messer wenige Zentimeter unterhalb des Bauchnabels in den Leib gerammt hatte. Ein offizieller Grund für diese Tat war niemals genannt worden. Doch die Zusammenhänge waren allzu offensichtlich: Bald nach der Selbstentleibung des Mannes waren erhöhte Strahlenwerte im Umkreis von Shimane bekannt geworden, eine radioaktive Verschmutzung des Grundwassers und all die anderen Folgen einer weiträumigen Verstrahlung.
    Kakuta war damals noch jung gewesen. Doch er konnte sich gut an das Gesehene erinnern. An das ausdruckslose Gesicht des Managers, der zum Zeichen der Scham die Augen gesenkt und sich mit einer kurzen, präzise geführten Handbewegung das Leben genommen hatte.
    War das sein Weg?
    Nein. Er hatte kein Recht, es sich derart leicht zu machen. Er würde sich entschuldigen. Buße leisten. Reumütig zu Wuriu Sengu und dem Jungen zurückkehren, um alles zu unternehmen, damit dieser Auftrag zur Zufriedenheit aller abgeschlossen werden konnte.
    Er nahm den Fischkutter in Augenschein. Er lag etwa einen Kilometer entfernt, landeinwärts, und bot von der Heckseite her ein gänzlich anderes Bild. Ein Großteil der

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