PR NEO 0039 – Der König von Chittagong
erinnerte sich dann, dass der Fremde die Geste unmöglich verstehen konnte, und murmelte weitere Dankesworte.
Novaal verbeugte sich tief. Er schaufelte Sand meterweit hoch in die Luft, grub in Blitzeseile eine Mulde, wälzte sich mehrmals darin, ging dann auf alle viere und eilte davon, der Stadt entgegen, ohne ein weiteres Wort zu sagen.
Sein Verhalten ist seltsam, dachte Grek 691. Aber nachdem ich einen ersten Blick in deinen Denkapparat geworfen habe, glaube ich, dass ihr Menschen noch weitaus ungewöhnlichere Geschöpfe seid. Meine Landsleute hätten gesagt: Ihr seid so verrückt wie melkende Zapfenläuse.
9.
Verlorene Schlachten
Die Waffen wurden ihnen aus den Händen gerissen und beiseitegeräumt. Dutzende Gefolgsleute André Noirs waren mit einem Mal rings um Ariane und Kakuta. Sie beraubten sie all ihrer Besitztümer und tasteten sie mit professioneller Geschicklichkeit ab. Erst dann ließ der Druck des kühlen Stahls eines Pistolenlaufs an seinem Hinterkopf nach.
André Noir indes machte keinerlei Anstalten aufzustehen. Auf einen Wink von ihm zogen sich die Chittagonger zurück. Zwei von ihnen platzierten einfache Stühle vor dem Thron des Warlords. Kakuta blieb so nahe wie möglich bei Ariane Colas. Die junge Frau, so bemerkte er, tat sich schwer, ihren Abscheu vor dem Franzosen zu verbergen.
»Das ist also der christliche Missionar, von dem du erzählt hast?«, fragte sie halblaut. »Schöne Freunde hast du!«
Kakuta wollte antworten, doch André Noir kam ihm zuvor: »Der erste Eindruck täuscht oft«, meinte er vielsagend. »Ich nutze die Mission manchmal als ein Rückzugsgebiet für meine Gefolgsleute und mich. Sie steht allen Anhängern des Free State of Chittagong offen. Übrigens dank der freundlichen Erlaubnis der wirklichen Brüder.«
»Wie kommt es, dass sich ein Franzose als selbst ernannter Heilsbringer der Chittagonger geriert?«, fragte Kakuta provokant. »Das hat einen gewissen imperialistischen Beigeschmack.«
»Dasselbe könnte ich über Perry Rhodan sagen, dem Sie anscheinend mit unverrückbarer Treue zur Seite stehen. Sie ist doch unverrückbar, oder?«
»Ja.« Kakuta betrachtete den Mann. Suchte nach Zeichen des Wahnsinns, der Selbstüberschätzung, nach Manien. Doch da war nichts. André Noir hatte sich gut unter Kontrolle. Er war Herr der Lage.
»Wo ist Wuriu?«, fragte Ariane.
»Sie können ihn riechen, nicht wahr?«
»N... nein. Was meinen Sie damit?«
»Sie brauchen sich nicht verstellen, Ariane Colas. Ich weiß alles, was ich wissen muss. Ihr Freund hat es mir gesagt.«
»Wuriu? Sie lügen!«
»Ach, wissen Sie, ich habe so meine Methoden, jemanden zum Reden zu bringen.« André Noir richtete sich auf. Eine Art Schwärze umgab ihn mit einem Mal. Dunkle Flocken, die sich um sein Haupt gruppierten, für wenige Sekunden zu einer scheinbar kompakten Masse wurden und sich dann wieder im Nichts auflösten. »Ich rate Ihnen, Ihre Fähigkeiten nicht an mir und meinen Leuten auszutesten. Zumal man sich gegen Ihre Gabe sehr leicht wappnen kann. Nach der Demonstration, die Sie meinen Mitarbeitern im Hotel Orchidee gegeben haben, habe ich den bewaffneten Mitgliedern des Free State of Chittagong Anweisung gegeben, Nasenstöpsel zu tragen.« Er deutete auf sein eigenes Riechorgan. Da waren dicke Gummipfropfen zu sehen.
Kakuta hatte Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen. André Noir hatte ihn, Wuriu und Ariane stets unter Beobachtung gehalten, womöglich seit dem Tag ihrer Ankunft in Chittagong. »Gehörten diese Drogenleute im Hotel zu Ihnen?«
»Ich habe mit Rauschgift nichts zu schaffen. Oder nur wenig.« Wieder lächelte der Franzose. »Doch seien Sie mir dankbar. Meine Leute achteten auf Sie. Es ist der Gesundheit manchmal abträglich, sich aus einem hell erleuchteten Fenster zu lehnen, wenn Kampfhandlungen toben.«
Der Bodyguard. Er hatte kein gutes Herz bewiesen, sondern schlicht und einfach seine Arbeit erledigt. Er hatte Wuriu und ihn beschützt.
André Noir gluckste zufrieden. »In der westlichen Erzählkultur gibt es das Klischeebild des Schurken, der so dumm ist, dem Helden einer Geschichte alle Geheimnisse anzuvertrauen und dabei in seiner Aufmerksamkeit nachzulassen, sodass sich doch noch alles zum Guten wendet. Womöglich klammern Sie sich an diese Hoffnung, Kakuta. Aber glauben Sie mir: Ich begehe keine Fehler. Vielleicht stellt sich gar heraus, dass ich nicht der Bösewicht dieses Dramoletts bin.«
Er schnippte mit den Fingern. Ein winziger Roboter mit
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