PR NEO 0040 – Planet der Seelenfälscher
im ersten Augenblick an eine Lagerhalle erinnerte. Bis auf einen schmalen Gang in der Mitte füllten fingerdicke senkrechte und waagrechte Lichtstränge den Raum bis unter die Decke aus. Sie schnitten sich in regelmäßigen Abständen und bildeten ein Gitternetz wie bei einem dreidimensionalen Koordinatensystem. Ein geometrisches Skelett aus Licht. Das Konstrukt wirkte, als habe man unzählige Glaswürfel mit leuchtenden Kanten übereinandergestapelt. In den Würfeln flirrten Dunstschwaden, pulsierten, schwebten gegen die Wandung, wurden zurückgeworfen, pulsierten stärker, zerfaserten, ballten sich erneut. Gefangene Tiere in Terrarien aus reiner Energie, die fliehen wollten, es aber nicht schafften.
Nein, keine Tiere. Individualsignaturen. Seelen!
»Es ist also wahr«, stellte Ikemrah fest. Seine verwaschene Aussprache seit dem Einsatz des Manipulators machte daraus ein Essissassowar. »Sie sind aufgeregt. Bemerken uns irgendwie.«
»Man kann sie sehen?« Mit allem hatte Rhodan gerechnet, aber nicht damit.
»Glaube ich nicht. Wenigstens nicht normalerweise. Wirken wahrscheinlich wegen der Energielinien so.«
Er glaubte, ein Flüstern, Jammern und Flehen zu hören. Vielleicht redete er es sich dank des Anblicks der Energieballungen auch nur ein.
Der Gedanke, dass diese Art der Energie auch in ihm steckte, ja ihn womöglich ausmachte, ließ ihn erschaudern. Was geschah mit ihr nach dem Tod, wenn kein Ara sie auffing? Kehrte sie zurück in die Endlose Nacht, wie Ikemrah da Vosiran es glaubte? Oder verwehte sie für immer, starb genauso wie der Leib? Stellte die Gefangenschaft in der Seelenbank eine pervertierte Form der Unsterblichkeit dar?
Er dachte an Ernst Ellert. Der Deutsche war in den ersten Tagen nach der Landung der STARDUST in der Gobi gestorben, als er und seine Kameraden einen Tunnel vorangetrieben hatten, um zu Rhodan und seinen Kameraden vorzustoßen. Ellert hatte den Energieschirm, der sie vor den chinesischen Belagerern geschützt hatte, berührt. Der sichere Tod eigentlich. Doch Ellert war nicht gestorben. Sein Körper lag in einem Keller in Terrania, in einem unerklärlichen Koma, aber sein Geist, sein Astralleib oder worum es sich auch handeln mochte, reiste durch Raum und Zeit. Das letzte Mal war Rhodan Ellert auf der Eiswelt Snowman begegnet, Hunderte von Lichtjahre von der Erde entfernt. Ellert hatte die sterbende Thora mit an Bord seines Raumschiffs genommen, unterwegs zu einem unbekannten Ort, wo Aussicht auf Heilung bestand. Rhodan selbst hatte sich dem Naat Novaal gestellt, um die in Gefangenschaft geratene Besatzung der TOSOMA zu schützen.
Ließ sich das Phänomen Ellert mit einer Individualsignatur erklären, die nach dem Tod nicht erlosch, sondern in Freiheit weiterexistierte? Eine gute Frage – für einen späteren Zeitpunkt.
Sie verließen den Kerkerraum, kehrten zurück auf den langen Gang und folgten ihm weiter. Sie erreichten andere Gefängnissäle, durchquerten sie, gelangten in neue Korridore, die sie wiederum zu Seelenzellen führten.
»Chabalh will kein Totenhaus mehr.« Der Purrer scharrte mit den Krallen auf dem Boden. Offenbar spürte auch er die merkwürdige Ausstrahlung des Signaturspeichers.
»Ich verstehe dich. Mir gefällt es hier auch nicht. – Wie geht es nun weiter?«
»Müssen die Energieversorgung finden«, nuschelte Ikemrah. »Sie ausschalten, abschneiden oder sprengen. Den Seelen die Käfige öffnen.«
»Haben Sie eine Ahnung, wo wir danach suchen sollten? Das gesamte Gebäude scheint aus einer makabren Lagerhalle zu bestehen. Gäbe es Verwaltungsräume oder Labors, lägen die bestimmt im Eingangsbereich.« Zumindest wäre das auf der Erde so, aber was wusste er über die Bauweise von araischen Architekten?
»Ich vermute, sie liegt zentral. Oder im Keller, wenn es einen gibt.«
Rhodan überlegte. »Gut, wir wissen nicht, wie viel Zeit uns bleibt. Chabalh, du schaust nach, ob du in einem der Korridore einen Kellerzugang findest. Falls ja, machst du dich bemerkbar. Ikemrah, wir beide sehen zu, dass wir ins Zentrum des Gebäudes vordringen.«
»Chabalh lässt Herrn nicht allein. Muss aufpassen, dass Herrn nichts zustößt.«
»Das ist sehr korrekt von dir. Aber je schneller wir draußen sind, desto geringer die Gefahr. Bitte, hilf uns, indem du einen Teil des Baus selbstständig durchsuchst.«
»Aber ...«
»Bitte!«
Der Purrer knurrte, drehte sich um und trottete davon. Als er hinter einer Abzweigung verschwand, schlugen da Vosiran und Rhodan die
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