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PR NEO 0045 – Mutanten in Not

PR NEO 0045 – Mutanten in Not

Titel: PR NEO 0045 – Mutanten in Not Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Lukas
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unbedingt gesagt werden muss, aber auf zivilisierte, respektvolle Weise; und danach gehen Sie wieder Ihrer Wege.«
    »Und was, wenn nicht?«, brüllte ein besonders stiernackiger Glatzkopf zurück. »Du bist schneller von deinem Rad geholt, als du piep sagen kannst. Bring mich besser nicht auf Ideen, was ich mit dir und deiner Säge anstellen könnte. Ich habe heute ohnehin noch keinen Clown gefrühstückt.« Seine Kumpane johlten bekräftigend.
    La Princesse, die mechanische Spinne, bewegte sich langsam, doch zielstrebig auf den Demonstrationszug zu. Drohend schwangen die Rechtsradikalen ihre Knüppel. Die Ferronen wiederum fächerten auseinander und nahmen eine Körperhaltung an, die darauf hindeutete, dass sie in waffenlosem Kampf versiert waren.
    Im Hauseingang des Eckpalais zischte ein Polizist hektisch in sein Armbandfunkgerät. Man musste nicht verstehen, was er sagte, um zu wissen, dass er dringend Verstärkung anforderte. Wie es aussah, würde sie zu spät kommen – eine gewaltsame Konfrontation stand unmittelbar bevor.
    Der unauffällige Mann am Tisch vor dem Bistro trank seinen Milchkaffee aus, tupfte sich mit der Serviette den Mund ab, stand auf und schlenderte gemächlich zum Brennpunkt des Geschehens.
     
    Mister Marcus auf seinem Einrad – dem höchsten Europas, wie er in seinen Presseinfos gern betonte – kam allmählich zum Bewusstsein, dass er sich, impulsiv wie er nun einmal war, zu weit vorgewagt haben könnte. Der stiernackige Schlagetot hatte leider vollkommen recht. Was wollte ein Gaukler gegen diese Übermacht ausrichten?
    Mit ein paar brennenden Fackeln und einer Minikettensäge imponierte man gutwilligem Publikum, aber nicht einer derartig feindseligen Horde. Da auch die Ferronen auf der anderen Seite, obwohl weit in der Minderzahl, einen durchaus wehrhaften Eindruck erweckten und ihnen die Artisten von Les Machines zu Hilfe eilten, lief Marcus Gefahr, gleich zwischen den Fronten zerrieben zu werden. Er sollte, sagte er sich, schleunigst einen einigermaßen ehrenvollen Abgang hinlegen ...
    Aus der umgebenden Menge der passiven Beobachter löste sich ein auf den ersten Blick unscheinbarer, mittelgroßer Mann und ging schnurstracks auf den Anführer der Fremdenfeinde zu. Der dünne Mann erschien alles andere als souverän. Die zu weit geschnittene Kleidung verlieh ihm das Aussehen einer lächerlichen Figur. Seine Hose schlotterte um die Beine.
    »Was willst jetzt du?«, fuhr ihn der feiste Oberdemonstrant an, das Megafon vor dem schwabbeligen Doppelkinn, sodass sich ein quäkendes Echo ergab.
    »Wart's ab!«, sagte der Schwarzhaarige leise, doch gut verständlich.
    Im selben Moment fiel ein Schatten über die beiden, als hätte sich plötzlich eine Wolke vor die schon recht tief stehende Sonne geschoben. Marcus blinzelte, weil ihm die Sicht verschwamm. Seltsam. Normalerweise tränten seine Augen dank des Bühnenadrenalins nie während eines Auftritts. Das konnte er sich in seiner Profession nicht leisten.
    Die Dunkelheit ging so jäh vorüber, wie sie gekommen war. Der dürre Mann wandte sich ab, als sei alles erledigt. Sein fetter Widerpart drehte sich zu seinem Gefolge um und schrie ins Megafon: »Abrücken, Männer! Wir haben uns schon genug zu Narren gemacht. In der Bude gibt's Starkmost auf meine Kosten bis zum Abwinken, und dabei werden wir uns einmal darüber unterhalten, wer unsere wirklichen Feinde sind. – Rechts um! Uuund links, zwo, drei, vier, links, zwo, drei, vier ...«
    Befehl war Befehl. Die Schar gehorchte, wie sie es eingedrillt bekommen hatte. Wenngleich nicht wenige Streitbolde reichlich verdattert dreinschauten, marschierten sie zackig von dannen.
    Nach einer halben Minute war der Spuk vorüber. Kollektives Aufatmen folgte. Zögerlich kehrte das unbeschwerte Leben auf den Platz des Reiherbaums zurück.
    Gern hätte Mister Marcus ein paar Worte mit dem Mann gewechselt, der die Krise auf so unerklärliche, spektakulär unspektakuläre Weise bewältigt hatte. Aber wohin der Jongleur auch schaute, die asketische Gestalt war verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt.
     
    Der mysteriöse Mann, ein gebürtiger Franzose, hieß André Noir. Seine Eltern hatten ihn nicht nach katholischem Ritus getauft; das wäre ihrer Überzeugung zuwidergelaufen. Sie waren hoffnungslose Idealisten gewesen, und dieses Erbe schlug wohl immer noch gelegentlich durch. Sonst hätte er sich nicht dazu hinreißen lassen, seine Kräfte anlässlich einer derart unbedeutenden Episode zu

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