PR NEO 0045 – Mutanten in Not
Schiedsrichter »borgen« könne. Sein Team sei zwar fleißig dabei, sich mittels des Evernets weiterzubilden; für knifflige Fragen der Regelauslegung würde man aber einen unmittelbaren Ansprechpartner vorziehen, zumal die Zeit äußerst knapp war. Haggard hatte diesem Wunsch umgehend entsprochen.
Für diesen Nachmittag war eine Pressekonferenz mit der offiziellen Präsentation des fünfunddreißigköpfigen Kaders der Weltauswahl angesetzt, und im Anschluss daran sollte das erste öffentliche Training der Naats stattfinden. In der Innenstadt wimmelte es von Journalisten. Mindestens ebenso viele hatten sich akkreditiert wie vor einigen Monaten bei der Gründung der Terranischen Union, nur dass die Mehrzahl diesmal Sportreporter waren anstelle politischer Kommentatoren. Haggard hätte nicht sagen können, welche Sorte er inniger verabscheute.
Weit über zweihundert Medienvertreter drängten sich im Saal. Ein Vertreter des International Rugby Board, wie der Weltverband seit 1998 hieß, eröffnete die Pressekonferenz mit einigen salbungsvollen Floskeln und übergab dann an Haggard.
»Schönen guten Tag auch von meiner Seite. Ich werde mir sparen zu erläutern, wie es zu diesem Ereignis gekommen ist. Die meisten von Ihnen kennen die Vorgeschichte ja bereits, außerdem steht es ausführlich in den an Sie verteilten Unterlagen. Wir können uns also kurz fassen und hurtig zur Fragestunde übergehen. Zuerst aber darf ich Ihnen zum Beweis, dass wir dieses Spiel durchaus sehr ernst nehmen, den Trainer unserer Weltauswahl vorstellen. Meine Damen und Herren, für ein einziges, ganz besonderes Match zurück aus dem Ruhestand: Mister Alistair McGrady!«
Kaum erschien McGrady auf dem Podium, erhob sich der Saal wie ein Mann und spendete tosenden Applaus. Scheinbar ungerührt humpelte der Schotte die paar Schritte bis zum Stuhl neben Haggard, dann winkte er mit dem Gehstock ab. »Das reicht! Kriegt euch wieder ein. Glaubt bloß nicht, nur weil ihr mir schöntut, hielte ich euch nicht trotzdem für ein widerliches Igorantenpack!«
Sofort hatte er die Lacher auf seiner Seite wie eh und je.
Bei aller Ehrfurcht vor dem alten, von der Krankheit gezeichneten Mann hielten die Fachjournalisten im Anschluss mit Kritik an seinen Einberufungen nicht hinter dem Berg. Er hatte zwar mindestens einen Vertreter jeder der zehn großen Rugby-Nationen nominiert, aber so manchen Spieler, der derzeit als Weltbester auf seiner Position galt, nicht berücksichtigt. Dafür standen ein Chinese und ein Österreicher im Aufgebot, obwohl deren Heimatländer nur zur dritten und untersten Stärkeklasse gezählt wurden.
»Vergesst nicht: Das wird keine normale Partie. Wir spielen nicht gegen Menschen«, verteidigte sich McGrady, »sondern wir versuchen, gegen ein Team aus Riesen zu bestehen, die uns körperlich weit überlegen sind.«
»In einem Freundschaftsspiel«, warf ein südafrikanischer Exinternationaler ein, der nach dem Ende seiner Karriere als Kokommentator für ESPN arbeitete. »Welches zum völkerverbindenden Jahrhundertereignis aufgeblasen wird. Vielleicht habt ihr euch ja hinter den Kulissen längst auf ein Unentschieden geeinigt.«
»Mann, Botha, du hast dich kein bisschen geändert, seit du bei den Springbocken ausgemustert wurdest. Immer noch zuerst die Klappe aufreißen und dann erst denken.« McGrady wartete, bis das Gelächter abklang. »Hast du dich länger als drei Sekunden mit den Naats beschäftigt? Ich wette, nein. Sonst wüsstest du nämlich, dass unsere dreiäugigen Freunde von ihrem ganzen Kriegerethos her garantiert auf Sieg spielen werden. Die wollen unbedingt gewinnen, das kann ich dir schriftlich geben.«
Eine Reporterin der BBC fragte: »Wie schätzen Sie denn unter dieser Voraussetzung die Chancen der Weltauswahl ein, Coach?«
»Welche Schuhnummer hast du, Rosie?«
»Neununddreißig.«
»Okay. Unsere Chancen stehen bei knapp vierzig Prozent. Nein, im Ernst, niemand kann vorhersagen, wie das ausgehen wird. Schließlich ist es für beide Seiten das erste Mal.«
»Wo sehen Sie die Stärken Ihrer Mannschaft?«
»Unser einziger Vorteil besteht darin, dass wir das Spiel besser beherrschen. Rugby innerhalb von zwei Wochen perfekt zu erlernen, ist unmöglich, auch für topfitte, an eiserne Disziplin gewöhnte Soldaten. Daher werden die Naats unweigerlich Schwachstellen haben.«
»Welche?«
»Genau darauf will ich hinaus – ihre Schwächen werden sich erst während des Matches zeigen. Vielleicht lösen sie sich zu
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