PR NEO 0045 – Mutanten in Not
gerichteten Geste des Halsdurchschneidens ... Allen Haka gemeinsam war, dass die Maori sie als eine Art Symphonie betrachteten, bei der die verschiedenen Körperteile die Instrumente darstellten. Hände, Arme, Beine, Füße, Stimme, Augen, Zunge und der Körper als Ganzes vereinigten ihre individuellen Expressionen zu einer Aussage: Freude, Ärger, Trauer um einen Verstorbenen, Würdigung von Besuchern oder eben Einschüchterung der Gegner.
Die Naats hatten manches Element übernommen. Allerdings waren sie um ein gutes Drittel größer, schwerer und lauter als ihre menschlichen Pendants. Vom rhythmischen Stampfen der Säulenbeine erzitterte der Boden. Die langen Arme peitschten die Luft; in den drei großen Augen rotierten unabhängig voneinander die einzeln steuerbaren Pupillen, was ziemlich irre und furchterregend aussah. Das Gebrüll der 35 außerirdischen Riesen ging durch Mark und Bein. Und als sie gegen Ende simultan zwischen Lippen und Kauringen die Fleischzähne ausfuhren, bekam nicht nur Frank Haggard ein mulmiges Gefühl in der Magengrube.
Die Aussage war leicht zu interpretieren: Wer gegen diese Kerle antrat, sollte sich bewusst machen, dass ihm kein Spaziergang winkte.
Andererseits nahm der imposante Auftritt, so paradox das klingen mochte, den Naats einiges von ihrer Fremdheit. Die Nähe ihres Rituals zum Haka der Maori schuf, bei allen unübersehbaren physischen Unterschieden, eine gewisse Verwandtheit im kriegerischen Geiste. Als die Pressevertreter pfeifend und jubelnd applaudierten, dachte Haggard zum ersten Mal seit Tagen wieder, dass Reginald Bulls und Homer G. Adams' Idee doch etwas für sich hatte.
Nach dem frenetisch gefeierten Kriegstanz zeigten die Naats einige Spielzüge: Anstoß und Retourkick; Passen mit der Hand, was nur nach hinten erlaubt war, oder Vorlegen mit dem Fuß; Einwurf in die Gasse und anschließende Bildung eines »Pakets«, bei dem der Ballträger gegen den Widerstand der Verteidiger mit schierer Wucht weitergeschoben wurde; angeordnete und offene Gedränge; Dropkick und Straftritt. Je länger die Vorführung dauerte, desto kleinlauter wurden die Sportreporter. Bald hörte man nur noch die dumpfen Geräusche der mit Urgewalt aufeinanderprallenden, muskelbepackten Leiber, die den Rasen ernsthaft umpflügten. Der BBC-Redakteurin Rosie O'Connors entfuhr ein gehauchtes »Wow«; es hallte weithin über den Platz. Frank Haggard schauderte. Er wusste jetzt schon, dass er diese Nacht nicht sonderlich gut schlafen würde.
Alistair McGrady, die schottische Trainerlegende, jedoch steckte sich, äußerlich unerschüttert, eine Zigarette an. »Na immerhin, die Grundregeln haben sie kapiert.«
9.
Blumen des Krieges
Manchmal erreichten Nachforschungen einen Punkt, an dem man sich beinahe wünschte, sie würden im Sand verlaufen.
Caroline Frank kannte das Gefühl, sich insgeheim vor der Bestätigung eines Verdachts zu fürchten. Während ihrer Tätigkeit für die Deutsche Bundespolizei hatte sie allzu häufig erlebt, dass sich die Hoffnungen, eine vermisste Person rechtzeitig wiederzufinden, mehr und mehr zerschlugen. Wenn vieles darauf hindeutete, dass eine jugendliche Ausreißerin in die Fänge von Menschenhändlern geraten, brutal missbraucht und verschleppt worden war – nun, dann kämpfte man oft ziemlich gegen den Widerwillen an, die schreckliche Wahrheit auch noch durch Fakten untermauern zu müssen.
Ähnlich erging es ihr mit André Noir – oder Andreas Maúros, wie er sich auf Zypern genannt hatte.
Konnte es mit rechten Dingen zugehen, dass zweimal innerhalb weniger Tage je zwei Menschen Unfällen zum Opfer fielen, kurz nachdem ein und derselbe Mann sie erstmals nach Jahren wieder aufgesucht hatte? Auch wenn die lokalen Behörden in beiden Fällen Fremdeinwirkung ausschlossen, spottete die Koinzidenz jeder Wahrscheinlichkeit.
Hatte Noir also seine Eltern und seine ehemaligen Gespielinnen auf raffinierte Weise ermordet? Oder sie, eventuell durch Einsatz von Psi-Kräften, zur Selbsttötung verleitet, was im Prinzip auf dasselbe hinauslief? Aber warum? Caroline konnte beim besten Willen kein Motiv erkennen. Rache, nach so vielen Jahren? Wofür denn? Nach ihrem Kenntnisstand war Noir es gewesen, der aus freien Stücken sein Elternhaus verlassen hatte; ebenso, wie er sich von den Zwillingen und ihrer wildromantischen Öko-Guerilla in der Bucht von Lara absentiert hatte. Weder dort noch da war er verstoßen oder fortgeekelt worden. Weshalb sollte er sich an den
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