PR NEO 0047 – Die Genesis-Krise
Mensch, Sid, kapiert? Willst du etwa, dass er stirbt? Es war verdammt noch mal richtig, dass sie die Todesstrafe an ihm nicht vollzogen haben!«
»Klar«, sagte er kleinlaut. »Du hast recht.«
Die Tür ließ sich öffnen. Die beiden traten ein. Drinnen war es dunkel. Durch die Fenster fiel kaum etwas vom Zwielicht, das draußen herrschte. Sues Hand tastete nach einem Lichtschalter. Sie wurde fündig, aber es tat sich nichts, als sie ihn umlegte. Offenbar sah es ausgerechnet in diesem Gebäude mit der Stromversorgung alles andere als gut aus.
Die Augen gewöhnten sich langsam an die düsteren Verhältnisse.
»Wozu sind wir im Gerätelager?«, fragte Sid. Er durchsuchte einige Regale, kramte in einer Menge Kisten und Kästen, ehe er fündig wurde und triumphierend eine Taschenlampe einschaltete. Er reichte Sue eine weitere Lampe und ließ darüber hinaus noch eine in seiner Hosentasche verschwinden. »Da fällt mir etwas ein«, sagte er. »Mercant hat das Gelände evakuiert. Wie hat er sich das mit Monk vorgestellt? Er sitzt in seiner Zelle, nun schon den ganzen Tag über, ohne dass sich jemand um ihn kümmert.«
Sue stutzte. Daran hatte sie bislang keinen Gedanken verschwendet. »Das werden wir jetzt ändern.«
Ihre Lichtkegel tanzten in der Dunkelheit, als Sue zielstrebig zu der Tür ging, die die Aufschrift »Privat« trug. Dahinter lag, wie sie wusste, ein Treppenabgang, der zu einem Gang führte, der wiederum in dem ehemaligen unterirdischen Labor endete, das speziell für Monk in eine Hochsicherheitszelle umgewandelt worden war. Dieser Bereich hatte ursprünglich zum Tempel gehört, war jedoch von diesem inzwischen dank seiner neuen Funktion abgetrennt, um dort den Alltagsbetrieb nicht zu stören.
Sue drehte den Knauf, aber die Tür war verschlossen.
»Lass mich«, forderte Sid.
»Was hast du vor?« Sue grinste matt. »Willst du sie eintreten?«
»Viel besser.« Sid schaute auf die Tür, und ohne dass er irgendetwas tat, ertönte ein Knacken. Er streckte lächelnd die Hand aus und öffnete. »Telekinese ist praktisch, wenn man weiß, wie ein normales Türschloss funktioniert.« Ohne sich nach Sue umzudrehen, stieg er die Stufen in die Tiefe.
Sue war beeindruckt, obwohl sie wusste, dass er es genau darauf anlegte. Sie schaute ihm hinterher. Seit er operativ sein Aussehen verändert hatte, was sie zunächst eher abgestoßen und verwirrt hatte, schien er auch innerlich ein anderer Mensch geworden zu sein. Er trat selbstsicherer auf, trotz des Verlusts seiner Gabe – und mit der neuen Fähigkeit ging er erstaunlich virtuos um.
Hintereinander schritten sie durch den Gang, der nur von ihren Taschenlampen erhellt wurde. Sid ging vor, der Lichtkegel seiner Taschenlampe tanzte über die rauen Betonwände. Bald öffnete sich der Korridor in einen quadratischen Vorraum, an dessen gegenüberliegendem Ende die Zelle lag. Sie war mit Gittern verschlossen und zusätzlich mit einem Energieschirm geschützt, den die spezielle Fähigkeit des gefangenen Mutanten nicht überwinden konnte. Im Inneren befanden sich nur eine Pritsche, ein Wasserbecken und eine deckellose Toilette. Es stank beißend nach Urin.
Monk lag auf der Pritsche, und obwohl er sie zweifellos hatte kommen hören und das Licht nicht übersehen konnte, rührte er sich nicht.
Sue erschrak. Ob er überhaupt noch lebte?
»Mister Moncadas«, sprach sie ihn an.
»Monk«, tönte es aus der Zelle, ohne dass er sich aufsetzte. »Es heißt ganz einfach Monk.«
»Monk, wir ...«
»Ach, hat man mich doch nicht vergessen? Ihr lasst mich hier sitzen, seit Stunden in der Dunkelheit, und dort oben donnern Explosionen.« Er klang ganz und gar nicht beunruhigt, sondern spöttisch und herablassend. »Und auf einmal seid ihr da, ja?« Monk setzte sich auf. Er war fett, seine Gesichtshaut dunkel, aber mit erstaunlich weichen Gesichtszügen. Ein eng anliegendes schwarzes Shirt und ebensolche Hosen zeichneten jeden Fettwulst seines Körpers ab. »Du bist Sue, richtig? Du warst schon mal hier. Und der Kerl bei dir?«
»Er heißt Sid.«
»Sid González«, sagte Monk bestens informiert.
»Wir brauchen deine Unterstützung«, sagte Sue.
Der gefangene Mutant zeigte keine Reaktion.
»Hilf uns«, bat Sue. »Denn die Welt geht unter.«
Und Monk lachte.
Die elfte Stimme:
Ein Lachen in der Finsternis
Irgendwann, während des Infernos:
Vielleicht ist es gar nicht so dumm, älter zu sein. Größer. Keiner kann mehr auf mich herabschauen und mir entweder den Kopf
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