PR NEO 0047 – Die Genesis-Krise
sie?«, fragte Ailin.
Unsere Feinde. »Die Techniker in Terrania. Suchkommandos. Allan D. Mercants Leute. Bai Juns Sicherheitspersonal.« Genügt das?
»Unsinn!«, begehrte Stagge auf. »Dann hätten sie mich schon in Jakarta genauso anpeilen können.«
»Sie wissen, dass wir früher oder später hier auftauchen werden, oder sie ahnen es zumindest. Und es ist einfacher, das Stadtgebiet von Terrania genau abzuscannen als die ganze Welt. Sie wären dumm, wenn sie in der Stadt kein engmaschiges Analysenetz aufgebaut ...«
»Du hast recht«, gab der Norweger widerwillig zu. »Ich schalte das Implantat erst mal aus.«
»Das reicht nicht. Kannst du es völlig desaktivieren?«
Stagge zog die Oberlippe hoch und schüttelte den Kopf. »Warum soll ich es mir nicht gleich aus dem Ohr reißen? Es ist implantiert, kapiert? Und außerdem brauchen wir es, um die anderen zu finden.«
»Unsere Freunde werden sich sowieso nicht per Funk melden«, gab sich Tschubai überzeugt. »Jedenfalls nicht, wenn sie schlau sind. Nicht hier mitten im Herzen der Gefahr. Mercant und eine Heerschar seiner Mitarbeiter fangen bestimmt jeden Piepser auf, der aus Lakeside dringt. Als wir noch über die ganze Welt verstreut waren, ging das – nun müssen wir uns irgendwie anders sammeln.«
»Und wie stellst du dir das vor?«
Ailin stellte sich zwischen die beiden. Sie hielt die Hand zur Faust geballt, eine kleine, wütende Geste der zierlichen Frau. »Könnt ihr eure Streiterei abstellen, ehe das Implantat geortet wird? Ras hat recht, da gibt es nichts zu diskutieren! Also los!«
Stagge sah aus, als wolle er widersprechen. Er schüttelte den Kopf und atmete geräuschvoll aus. »Also gut. Ich kann das Implantat mit einem gezielten Nervenimpuls vollständig desaktivieren. Es ist danach nur noch ein winziges Stück Metall in meinen Gehörgang, ohne jede Funktion.«
»Dann tu es endlich!«, forderte Ailin. »Oder soll ich testen, ob es vielleicht einen kleinen Anteil Glas darin gibt?« Sie lächelte.
Tschubai fragte sich, ob dieses Lächeln eher humorvoll oder eiskalt war. Wie weit würde die Mutantin im Notfall gehen? Würde sie Stagge einen Glassplitter durchs Gehirn jagen, wenn sie dazu gezwungen war? »Hast du noch Kontrolle über deine Gabe?«
»Ich denke schon. Allerdings bietet sich mir hier keine Möglichkeit, es auszuprobieren.«
»Vielleicht kommt diese Möglichkeit früh genug«, prognostizierte der Norweger düster. »Es wird nicht einfach werden, unsere Freunde unter der Kuppel zu befreien. Wir müssen uns auf einen Kampf einstellen.« Während dieser Worte klang er nicht, als würde er davor zurückschrecken, sondern fast, als freue er sich darauf.
»Wir sind zu wenige, um anzugreifen und ...«, begann Tschubai.
»Aber wir sind Mutanten«, unterbrach Stagge. »Und damit besser als alle anderen.«
Zu dritt sprangen sie erneut. Die ersten Häuser von Terrania lagen danach nur noch etwa hundert Meter vor ihnen. Zahllose Lichter machten die ständig wachsende Stadt mitten im Nichts zu einem glänzenden Bereich, der Tschubai fast unwirklich vorkam. Es lag nicht lange zurück, als es an diesem Ort nur die ewige Ödnis der Wüste Gobi und den Salzsee gegeben hatte.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Goshun-Sees lag das Lakeside-Institut. Nur das seltsame Flirren des energetischen Schutzschirms war in der Ferne zu erahnen. Etwas anderes zog seine Aufmerksamkeit viel mehr auf sich; ein Anblick, der dem Sudanesen Magenschmerzen bereitete: Ein riesiges arkonidisches Kugelraumschiff stand am jenseitigen Ufer des Goshun-Sees. Es war die VEAST'ARK, der Stolz des Imperiums, der jetzt den Menschen gehörte; ein Schlachtschiff mit einem Durchmesser von 850 Metern, ein Gebirge aus Stahl. Lakeside, Terrania und das Schiff bildeten die Eckpunkte eines Dreiecks um den See.
Die Botschaft hinter der Landung des Raumers war eindeutig: Im Notfall würden die Waffen sprechen, und diese konnten das gesamte Gelände des Instituts samt allen Gebäuden und Lebewesen zweifellos mit wenigen Schüssen pulverisieren.
Auch Stagge entging es nicht. »Das bedeutet Krieg«, sagte er. Seine Stimme klang kalt wie Eis und scharf wie die Klinge eines frisch geschliffenen Messers.
Tschubai hatte bis eben Olf Stagges Art, die seit Beginn der Ereignisse immer aggressiver wurde, als Problem angesehen; er hatte oft versucht, den Norweger zu besänftigen. Doch nun schwieg er. Alles stand viel schlimmer als befürchtet. Wahrscheinlich gab es längst keine
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