PR NEO 0049 – Artekhs vergessene Kinder
Strom hatte die Überreste bereits weggespült.
Der Silberfisch näherte sich der nächsten Engstelle. Sofort wurde die Strömung stärker.
Atlan legte den Kopf schief, als lausche er auf etwas. Bevor Rhodan nachfragen konnte, hörte er es auch. Ein leises dumpfes Rauschen. Die Felswände brachen den Laut so, dass er aus allen Richtungen zu kommen schien.
»Was ist das?«, fragte er.
»Ich fürchte, nichts Gutes«, gab der Arkonide zurück. »Vielleicht ein ... oh!«
»Was denn?«
Atlan antwortete nicht. Er fummelte an Holoreglern auf der Milchglasscheibe herum, las Anzeigen ab, schüttelte den Kopf, betätigte Holotaster.
»Sind Sie mit meiner Art, das Boot zu steuern, nicht zufrieden?«, erkundigte sich die Positronik mit freundlicher Stimme.
»Wir müssen zurück! Schaffen wir die Stromschnellen in umgekehrter Richtung?«
»Ausgeschlossen. Dafür reicht die Energie nicht.«
»Atlan!«, sagte Rhodan. »Was ist los?«
»Ich sehe hier Anzeigen für Notsysteme, Internwartung, Protokollführung, Spritzwasserprallschutz und mehr unnützen Kram. Wenn wir die gesamte Energie in den Antrieb stecken und ...«
»Entschuldigen Sie, wenn ich unterbreche.« Die Positronik verlor nicht einmal ansatzweise ihre Freundlichkeit. »Aber die von Ihnen angesprochenen Systeme sind essenzielle Bestandteile des automatischen Steuersystems und lassen sich nur bis zu einem gewissen Grad herunterregeln.«
Das Rauschen wurde lauter. Und besser ortbar. Es kam eindeutig von vorne. Ein Wasserfall!
»Die Systeme lassen sich nicht ausschalten?«, schrie Atlan. »Das kann doch nicht sein.«
»Ist aber so. Tut mir leid.« Nach einer kurzen Pause fügte sie an: »Es sei denn, Sie wollen auf manuelle Steuerung umschalten.«
»Ich ... das geht?«
»Natürlich. Auch wenn ich Ihnen davon abraten möchte, weil kein biologisches Gehirn die Rechenleistung eines ...«
»Umschalten. Sofort!«
»Wie Sie wünschen. Meine anderweitige Empfehlung wurde im Protokoll verzeichnet. Ab diesem Augenblick führen Sie das Boot auf eigene Gefahr und ohne Anspruch auf Versicherungsschutz. Viel Glück.«
Runeldanas Gesicht erlosch. Die Glasplatte öffnete sich, und zwei Handhebel glitten in die Höhe. Mit ihnen ließen sich offenbar die Antriebsröhren einzeln ansteuern.
Doch es war zu spät. Die Felswände verengten sich immer mehr, die Strömung nahm stetig zu.
Atlan schaltete ein System nach dem anderen ab, drückte die Hebel bis an den Anschlag, jagte alle Reserven in den Antrieb. Es nützte nichts. Er verfügte nicht über die Reaktionsschnelligkeit einer Positronik. Das Boot geriet zunehmend ins Schlingern.
Dann wurde es dunkel um sie. An dieser Stelle des Flusses gab es keine leuchtenden Pflanzen.
Rhodan glaubte Atlan »Beleuchtung!« schreien zu hören, doch nichts geschah. Natürlich nicht, hatte der Arkonide doch die automatische Steuerung desaktiviert.
Hinter ihm überschlugen sich die Schreie. Er konnte sie nicht zuordnen. Und er konnte nichts, aber auch gar nichts tun.
Also tat er das Einzige, was ihm blieb. Er klammerte sich fest. Bereitete sich geistig auf den unvermeidlichen Augenblick vor.
Dennoch schrie auch er unwillkürlich auf, als das Boot nach vorne wegkippte und in einen dunklen bodenlosen Abgrund stürzte.
Aus den Unterweisungen der Geschichtswahrer
Vor langer Zeit lebte bei den Khal-Nethor eine junge Frau, deren Schönheit sich mit der von Prinzessin Crysalgira messen ließ. Sie war die Tochter des Anführers der Khal und sie hieß Crysalya.
Nicht von ungefähr trug sie einen Namen, der dem der Prinzessin ähnelte.
Sie war die Anmut in Person. Die Haut hell wie die Blüten der Schattenrose. Ihre Adern schimmerten hindurch, zeichneten Muster in Vollendung, die die jungen Khal in den Wahnsinn trieben.
Doch niemand, der um sie warb, war gut genug für sie.
Sie suchte nach einem anderen. Nach ihrem Prinzen.
Wer sie fragte, wie er denn auszusehen habe, dieser Prinz, erhielt zur Antwort: »Wenn ich ihn sehe, werde ich ihn erkennen.«
Dann traf sie ihn. Und erkannte ihn.
Sein Name ist in den Geschichten der Nethor nicht überliefert, und doch kennen wir die Bezeichnung, die unsere Vorväter ihm verliehen.
Sie nannten ihn den Hoffnungsbringer.
3.
Der Fluss gibt, der Fluss nimmt
Das Boot fällt. Und Chabalh fällt mit ihm. Die Welt dreht sich um ihn, doch er kann es nicht sehen. Dazu ist es zu dunkel. Trotzdem spürt er es.
Leute purzeln übereinander. Für Chabalh bestehen sie nur aus fliegenden Armen und
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