PR NEO 0051 – Lotsen der Sterne
unwürdig. Wie einen Delinquenten in den Archaischen Perioden schleppten sie ihn seit einer Tonta quer durch den Asteroiden, ohne Rücksicht auf gaffende Touristen oder andere Lotsen.
Inzwischen wusste er immerhin, wohin sie ihn brachten. Der Kontrollturm der Lotsen lag inmitten einer ausgedehnten Parkanlage auf der Tagseite von Tinios.
Verfluchter Che'Den! Ihm hatte er den Schlamassel zu verdanken, in dem er sich seit der Therapiesitzung befand.
»Da hinein!«, sagte einer seiner Bewacher. Sie drängten ihn zu einer Milchglastür, deren Flügel automatisch zur Seite fuhren, und stießen ihn hinein.
En'Imh stolperte in den angrenzenden Raum und erstarrte. An einem lang gestreckten, ovalen Besuchertisch saß sein verhasster Bruder, der ihn aus zusammengekniffenen Augen musterte.
Nur weg hier! En'Imh drehte auf den Absätzen um ...
... aber der Ausgang war versperrt. Die beiden Sicherheitsleute standen breitbeinig auf der anderen Seite der Glastür. Mist!
Ergeben fläzte er sich in einen Stuhl, der so weit wie möglich von Che'Den entfernt war, und tat so, als betrachtete er die Gemälde an den Wänden. Die Collagen stellten Raumschiffe auf fremden Planeten dar und stammten allesamt von einem angesagten arkonidischen Künstler, dem man nachsagte, dass er für das Malen eines Bildes einen Tag und ein Glas Hochprozentigen benötigte.
»Wann wirst du endlich erwachsen?« Die scharfe Stimme ließ En'Imh zusammenzucken.
»Dir habe ich also zu verdanken, dass ich bei Khe'Rhil aufsalutieren darf«, sagte er bissig.
»Aber nein. Es ist nicht mein Job, immer hinter dir aufzuräumen.«
»Wer sollte es sonst gewesen sein?« En'Imh beobachtete seinen Bruder ganz genau. »Wenn du es nicht warst, kann es nur dein dressierter Schoßhund Shafar gewesen sein. Du steckst doch mit dem unter einer Decke, gib es zu!«
»Ich gebe gar nichts zu.« Che'Den blieb auffällig ruhig.
En'Imh schüttelte den Kopf. »Warum? Ich verstehe nicht, warum du dich andauernd in meine Angelegenheiten einmischst. Passt dir meine Lebensweise nicht?«
»Ach, komm doch! Die Welt dreht sich nicht nur um dich, ich habe ganz andere Sorgen.«
»So? Welche denn?«
»Das geht dich gar nichts an.« Che'Den drehte seine Ausweiskarte zwischen den Fingern.
»Du glaubst, dass du dich in alle Aspekte meines Lebens einmischen darfst, aber ich habe kein Recht, etwas über deine Probleme zu erfahren? Spinnst du?«
»Verstehst du nicht, dass ich mir Sorgen mache?« Oh, jetzt kam er mit der Mitleidsmasche ...
»Nein«, antwortete En'Imh brüsk. »Wozu?«
Che'Den seufzte theatralisch. »Du hältst dich nicht an Shafars Auflagen!«
»Oh, ich könnte schon, wenn ich wollte. Aber ich will nicht. Das ist der Unterschied.«
»Ach Bruder!« Che'Den stand auf und umrundete den Tisch. »Das bildest du dir nur ein. In deiner Sucht kannst du nicht mehr unterscheiden, was richtig ist und was nicht.«
»Das ist wieder typisch für dich.« En'Imh sprang auf. Er wollte seinem Zwillingsbruder nicht die Genugtuung geben, von oben auf ihn herabzublicken. »Du glaubst, mich zu kennen, weil du dich über Spielsüchtige informiert hast.« Er machte eine Pause, in der Che'Den wie erwartet nickte. »Aber du irrst.«
»Ich habe dich doch gestern beobachtet«, sagte Che'Den. »Dein schlechtes Gewissen hat dich aus deinem Appartement fliehen lassen.«
»Da, schon wieder! Du kannst es nicht lassen.«
»Willst du etwa leugnen, dass du davongelaufen bist?« Che'Den war inzwischen auf eine Armlänge heran. »Dass dich die Sicherheitsleute erst einfangen mussten, um dich hierher zu bringen?«
»Ja, wie einen entlaufenen Hund. Aber du hast keine Ahnung, du hast mich sowieso in Gefahr gebracht.« Er holte Luft. »Wenn jemand aus einem Fiktivspiel gerissen wird, kann er einen geistigen Schaden zurückbehalten. Aber dir war das anscheinend völlig egal! Du hättest mich umbringen können.«
»Ich wusste, was ich tat, als ich dich da rausholte. Ich kann einfach nicht mehr zusehen, wie du dein Leben wegwirfst.«
En'Imhs Herz krampfte sich zusammen. Sein Zwillingsbruder würde ihn nie aus den Augen lassen, nie in Ruhe lassen.
»Dann darfst du dich nicht wundern, wenn du zum Hohen Lotsen gerufen wirst, kleiner En'Imh.«
Jetzt konnte er nicht mehr anders. Er legte alle Kraft in den Aufwärtshaken und schlug zu.
Che'Den war viel zu überrascht, um den Schlag abzuwehren. Sein Kopf flog zurück, aber er fiel nicht zu Boden. Taumelnd kam er wieder hoch.
En'Imh versuchte, dem Konterschlag
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