PR NEO 0051 – Lotsen der Sterne
ein Gewirr, das sie zu weiten Umwegen zwang. Aus den Astgabeln wuchsen langblättrige Pflanzen, deren Blütendolden wie geschaffen waren, von winzigen Vögeln besucht zu werden. Aber der Absturz des Schiffes schien die Tiere vertrieben zu haben, obwohl das Grollen der Explosionen seit einiger Zeit ausgeblieben war. Nur spannenlange, bleiche Würmer kümmerten sich nicht um die IQUESKEL, denn sie schlängelten sich zu Dutzenden vor Crest über den Boden. Rotbraune Wolken von Pilzsporen schwebten durch die Luft und reizten die Atemwege.
»Lefkin!« Tesmas Stimme hallte zwischen den Bäumen.
Crest sah die Arkonidin nicht. Er beschleunigte seinen Schritt. »Ich bin hier.«
»Komm!«
Das Sonnenlicht, das matt durch das Blätterdach und den Nebel drang, nahm mit einem Mal an Intensität zu. Das Grün der Moose leuchtete heller, und auch der Waldboden schmatzte nicht mehr wie zuvor. Stattdessen fühlte er sich fester an und trockener, so als hätte der Wald bald ein Ende.
Crest nahm keine Rücksicht mehr auf seinen Knöchel. Er rannte bergauf, immer in Tesmas Spur, bis er aus dem Dickicht ins gleißende Licht der gelben Sonne trat. Die Arkonidin stand auf einem Felsblock, der in der Mitte der Anhöhe aus dem Boden ragte, und winkte ihm zu. Einzelne Baumfarne wuchsen auf der Lichtung in den Himmel und spendeten Schatten.
»Komme schon«, rief er betont heiter, obwohl sie sah, wie er hinkte.
Der Aufstieg auf den Felsen erwies sich als schwieriger als gedacht. Tesma musste ihm mit ihrem Stock helfen, sodass er sich die letzten Meter daran hochziehen konnte.
Wie sie so dastand mit ihrem silbrigen Haar und dem samtigen Teint, erinnerte sie ihn an Thora. Seine Fluchtgefährtin mochte zwar um einiges älter als seine Adoptivtochter sein, doch Tesma legte die gleiche Tatkraft und Energie an den Tag.
Tesma hielt ihm die Hand hin und zog ihn zu ihrem Aussichtsplatz hoch. »Es sieht gut für uns aus«, sagte sie und zeigte in die Ebene hinab, wo noch immer dunkler Rauch über den Bäumen lag. Der silberne Rumpf der IQUESKEL war kaum zu erahnen, nur das Blinken im Sonnenlicht verriet ihren Standort.
»Ich weiß nicht«, antwortete Crest. »Ich bin nicht so optimistisch wie du. Wir sind auf einem fremden Planeten gestrandet, der Natur ausgesetzt, und wissen nicht, wohin wir uns wenden sollen.«
Tesma nickte. »Ich kann dich gut verstehen, aber so schlecht steht es nicht um uns. Ich bin inzwischen sicher, dass wir uns tatsächlich auf Ufgar befinden. Zwar nicht ganz an der Stelle, wo wir Hilfe erhalten können, jedoch auch nicht wirklich weit entfernt.«
»Was heißt das?«
»Siehst du die beiden Vulkane dort?« Tesma deutete auf zwei Kegel, die aus der Landschaft ragten. Aus dem höheren stieg eine weiße Wolke auf.
»Ich habe die Feuerberge oft gesehen«, fuhr sie fort, ohne auf seine Reaktion zu warten. »Von der Siedlung aus, in der sie mich gefangen hielten. Der einzige Unterschied war, dass der kleinere Vulkan von dort aus auf der anderen Seite des großen zu sehen war.«
»Ich verstehe«, murmelte Crest. Er befürchtete, dass ein langer Marsch durch die Wildnis auf ihn wartete. »Wie weit ist das Lager der Unither entfernt?«
»Schätzungsweise achtzig Kilometer. Aber es ist kein Lager im eigentlichen Sinn.«
»Sondern?«
»Ufgar ist eine unberührte Welt, quasi der Bau der Schatzsucher.« Tesma machte eine weit ausladende Handbewegung. »Sie haben sich hier eingerichtet und mehrere Häuser und Anlagen gebaut – na ja, ich denke eher, dass sie die Siedlung von Robotern bauen ließen. Dort könnten wir Schutz und vielleicht sogar einen Hypersender finden.«
»Wohnten dort noch mehr Unither?«
»Nein, nur die drei Ausgestoßenen.«
»Dann bleibt ein winziges Problem«, sagte er. »Das Ganze funktioniert nur, wenn die Unither tot sind.«
»Wenn nicht, sind wir sowieso chancenlos.«
Crest nickte. »Welche Wahl bleibt uns schon?«
Die kurze Pause auf dem Hügel hatte ihm gutgetan. Seitdem hatte er den Knöchel fast nicht mehr gespürt. Dazu trug vor allem die provisorische Mullbinde bei, die er aus einem Streifen seines Umhangs gefertigt hatte. In regelmäßigen Intervallen befeuchtete er sie in dem Bachlauf, dem sie seit seiner Quelle mitten im Wald gefolgt waren. Die Kühle des Wassers verhinderte bis jetzt zuverlässig, dass der Knöchel weiter anschwoll.
Die Geräusche des Urwalds waren inzwischen zurückgekehrt, aber die Tiere, die sie verursachten, hatten die Arkoniden bisher nicht zu Gesicht
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