PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht
versuchte ich Kontakt zur Kolonie und zu meinem Geschwader aufzunehmen, doch ich erhielt keine Antwort. Stattdessen erreichte mich ein Ruf über Hyperfunk.
Es war der Fremde, der mir Crysalgiras Tuch überbracht hatte. Sein Blick ruhte einen langen Moment auf dem Aktivator, den ich über der Brust trug, dann schaute er mich an.
»Du bist schneller zurück als erwartet«, stellte er fest. »Du solltest noch eine Weile warten, ehe du ins Larsaf-System zurückkehrst. Wenn du so weit bist, warte einfach an der Küste auf mein Schiff.«
»Welche Küste? Und was für ein Schiff? Was ist in Atlantis geschehen?«
»An welcher Küste du wartest, ist gleich. Das Schiff wird dich nicht zurück ins All, sondern tiefer in die Fluten tragen.« Da schien ihm ein Gedanke zu kommen. »Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter«, flüsterte er, dann brach die Verbindung ab.
Fieberhaft flogen meine Hände über die holografischen Steuerelemente. »Positronik! Leite unverzüglich den zweiten Sprung ein!«
»Die Überprüfung der Systeme ist noch nicht abgeschlossen«, warnte das Schiff. »Es wird empfohlen, die Pause zwischen den Sprüngen nicht zu verkürzen.«
»Sprung!«, befahl ich, und das Schiff gehorchte, nahm Fahrt auf und katapultierte uns mit aufheulenden Maschinen in den Hyperraum.
Der Transitionsschock war ungewöhnlich scharf. Kaum, dass sich meine Sinne geklärt hatten, wurden auch schon mehrere Warnhinweise vor mir eingeblendet. Ich achtete nicht darauf, sondern führte eine systemweite Ortung durch.
Die Sensoren erfassten gerade noch die Strukturerschütterung mehrerer Schiffe, die das System im selben Moment verließen.
Als dann die ersten Bilder der Kolonie – oder von dem, was von ihr geblieben war – vor meinen Augen entstanden, starrte ich sie fassungslos an. Eine gefühlte Ewigkeit konnte ich nicht einmal blinzeln. Wie in einem bösen Traum lenkte ich die TOSOMA IX in eine Umlaufbahn um Larsaf III.
Doch es war kein böser Traum.
Die Kolonie war vernichtet. Fast nichts war mehr von ihr übrig. Ich hatte Atlantis nur kurz den Rücken gekehrt, und unsere schlimmsten Ängste waren Wirklichkeit geworden. Die Schuldgefühle schnürten mir den Hals zu und drohten mich zu ersticken.
Ich hätte hierbleiben sollen, hätte die Kolonie nie verlassen dürfen. War das die ganze Zeit der Plan des Fremden gewesen? Hatte er mich weglocken wollen?
Vielleicht hat er damit dein Leben gerettet, merkte mein Logiksektor leise an, doch ohne die übliche kühle Überlegenheit, mit der er mich sonst auf meine Versäumnisse stieß.
Er hatte mir die Chance genommen, meine Kolonie zu verteidigen!
Er hat dir etwas geschenkt, was dem Imperium den Sieg bringen mag. Das wiegt schwerer als eine einzelne Kolonie – selbst als Atlantis.
Ein Teil von mir wollte ihm recht geben: Diese neue Waffe in unseren Händen mochte einen historischen Wendepunkt für Arkon darstellen; Atlantis dagegen war immer nur ein Nebenschauplatz gewesen. Es war die unbarmherzige Logik dieses sinnlosen Krieges. Doch ein anderer Teil meiner selbst wollte am liebsten laut aufheulen vor Wut: auf den Krieg, die Methans, auf den Fremden und mich.
Ich wünschte, ich hätte die Gelegenheit erhalten, mein Leben für meine Freunde zu geben. Stattdessen ...
Meine Hand griff nach der Kette um meinen Hals.
Das Meer wogte trügerisch ruhig an die Gestade der winzigen Inseln, die von Atlantis geblieben waren. Ich landete nahe der ehemaligen Ostküste des Kontinents und schaltete die Systeme ab. Dann verließ ich das Schiff über die Bodenschleuse.
Wie betäubt schritt ich zum Ufer des kleinen Eilands, setzte mich hin und wartete. Starrte auf das Meer hinaus und lauschte im Rauschen der Wellen auf die Stimmen der Vergangenheit, die ich im Stich gelassen hatte.
Tarts. Kosol. Und Feltif. Ich wünschte, ich könnte all den Schmerz auf mich nehmen, den sie meinetwegen erlitten hatten.
An Jahren jung, des vollen Lebens reich ...
Unwillkürlich hatte sich meine Hand in der Tasche wieder um das Tuch meiner Schwester geschlossen. Langsam nahm ich es heraus und faltete es auf.
Ein Geschenk für dich und Arkon, Liebster.
Ich vermochte sie noch immer zu riechen. Und nicht nur an dem Tuch – der Duft hing in meinen Kleidern, in meinem Haar.
Den Heimweg lang verlor'n, blick ich zurück ...
Ich vergrub mein Gesicht in dem weichen Stoff und schloss die Augen.
Ihr Duft war überall.
9.
Ihin da Achran
Der Tross hing in einem weiten Orbit um Hamtar-18, den
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