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PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

Titel: PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
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dass irgendwer mir das alles bloß vortäuschte, damit ich seinen Befehlen folgte. Es waren die Kleinigkeiten, die mich störten: Die Stimme klang ein bisschen zu jung, ein bisschen zu leise und der verführerische Doppelsinn der Worte vielleicht zu gewollt. Es fehlte das echte Temperament, die Leidenschaft, die Crysalgira bei einem solchen Spiel empfunden hätte.
    Ich war aber nicht so weit gekommen, um mich nun durch meine späten Zweifel verunsichern zu lassen. Also vergewisserte ich mich des beruhigenden Gewichts der Waffe an meiner Seite und folgte dem erleuchteten Gang.
    Der Weg führte mich um viele Biegungen und Ecken etwa hundert Meter tief in das Schiff, ohne dass sich eine Tür oder eine Abzweigung aufgetan hätte. Ich sah weder Anzeichen einer Besatzung noch von künstlichem Leben; nur die wispernde Stimme lockte mich stetig voran, wenn ich zu lange innehielt – und manchmal meinte ich beinahe, wieder ihren Duft in der dünnen Luft wahrzunehmen.
    Dann stand ich vor einem großen Schott am Ende des Ganges. Das Licht hinter mir wurde dunkler, das Schott glitt auseinander und gab den Blick auf einen großen, runden, hell ausgeleuchteten Raum frei.
    »Tritt ein!«, flüsterte die Stimme.
    Der geisterhafte Duft war stärker auf der anderen Seite. Ansonsten war der Raum genauso karg wie der Korridor: metallverkleidete Wände, keine offensichtlichen Geräte oder Bedienelemente – nur ein Sockel mit einer Art Büste in der Mitte eines leicht erhöhten, kreisförmigen Podests. Etwa die Hälfte des Raums ragte aus der Außenwand des Schiffes hervor, sodass insgesamt fünf der hohen, spitz zulaufenden Fenster die Leere des Alls ringsum zeigten. In dem Ausschnitt rechter Hand konnte ich einen fernen, schwach angestrahlten Umriss wahrnehmen: die Kugelform der TOSOMA IX, die wieder auf einige Hundert Meter Abstand gegangen war und auf mich wartete.
    Ich verharrte vor dem Rand des Podests und betrachtete die Büste auf ihrem Sockel. Sie hatte die Form eines stark stilisierten humanoiden Oberkörpers und Kopfes, jedoch ohne spezifische Züge. Nicht einmal das Geschlecht konnte ich mit Sicherheit bestimmen. Sie war weiß und völlig glatt, wie aus Alabaster geschlagen. Ihre Augen waren mandelförmig, aber ohne Pupillen und standen leicht schräg. Das Kinn war erhoben, sodass das konturlose Gesicht eine gewisse Herrschaftlichkeit verströmte. Und um den Hals trug die Büste einen kleinen, eiförmigen Talisman an einer Kette, der wie Perlmutt schimmerte.
    »Dein Geschenk«, wisperte die Stimme.
    »Was ist das?«
    »Dieses Gerät«, hauchte sie, »schenkt dir die Aussicht auf die Unsterblichkeit.«
    Ich stand wie vom Donner gerührt. »Wie soll das möglich sein?«
    »Das Geheimnis der ewigen Jugend ... Du wirst die Wirkung des Aktivators spüren, sobald du ihn an dich nimmst. Bevor du näher trittst, musst du jedoch deine Kleidung ablegen.«
    Ich schüttelte den Kopf. Versuchte, diese ungeheure Aussage zu verarbeiten. Wieso?, war die Frage, die ich nicht stellte. Was tat ich hier, auf diesem Geisterschiff, fernab der Männer und Frauen, die ich schützen sollte, und redete mit einer unsichtbaren Stimme? Und wieso bot sie mir ein solches Geschenk an?
    »Vertrau mir!«, flüsterte die Stimme. »Ich sage die Wahrheit.«
    Einen Moment noch stand ich mit klopfendem Herzen und kam mir wie ein furchtbarer Narr vor. Dann, zu meiner eigenen Verblüffung, legte ich meine Waffe auf den Boden und zog meinen Anzug aus. Schließlich trat ich nackt auf das Podest, dessen Boden zu leuchten begann. Eine Art Scan vielleicht?
    »Nun nimm dein Geschenk!«
    Ruhig trat ich vor die Büste hin und streckte die Hand nach der feinen Gliederkette um ihren Hals aus. Beide waren sehr kalt.
    »Nimm dein Geschenk!«, wiederholte Crysalgiras Stimme.
    Ich hob den Talisman an. Er war überraschend schwer für seine Größe. Vorsichtig nahm ich der Büste die Kette ab und legte sie mir selbst über. Ich kam mir vor wie ein wahnsinniger Herrscher, der seine eigene Krönung vollzog.
    Wahrscheinlich würdest du auch das tun, wenn deine Schwester es von dir verlangte, nicht wahr?, spottete mein Gedankenbruder, doch ich hörte schon nicht mehr auf ihn.
    Denn kaum hatte ich mir die Kette um den Hals gelegt, erwachte das Artefakt zum Leben – und mit ihm auch ich. Erfrischende Impulse durchströmten meinen ganzen Körper. Es war, wie eine gute Tasse K'amana zu trinken – oder von Crysalgiras Fingern gestreichelt zu werden –, unter einen kühlen Wasserfall zu

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