PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht
ungleichförmig, asymmetrisch, um ein Vielfaches größer als die TOSOMA IX, aber zugleich auch offener, weniger massiv; tatsächlich erinnerte es eher an eine halb fertige Raumstation als an ein Schiff, voller unregelmäßiger Hohlräume und Aufbauten. Hunderte Scheinwerfer strahlten aus den Öffnungen des Rumpfs heraus, von denen manche wie die Fensterfront eines windschiefen Palasts, andere wie die Landebuchten einer großen Werft wirkten.
»Positronik!«, rief ich. »Bericht!« Doch die Positronik konnte mir nur wiederholen, was ich schon wusste: unbekannter Schiffstyp, keine Kennung, zwischen 341 und 457 Metern Länge, keine aktiven Schirme oder Waffensysteme, Antrieb unbekannt, Energieausstoß minimal, hält Position ...
Nicht die Art von Geschenk, mit der du gerechnet hast, stellte mein Extrasinn fest.
»Das unbekannte Schiff sendet eine Nachricht«, sagte die Positronik.
»Annehmen!«
Die Verbindung wurde hergestellt, ein Akustikfeld baute sich auf, und im nächsten Moment erklang eine leise, flüsternde Stimme in der Zentrale. Ein Schauer rann mir den Rücken hinab. Es war Crysalgiras Stimme und auch wieder nicht. Konnte es einfach nicht sein.
Sie sagte: »Ich empfange dich in meinem Leib.«
Zur gleichen Zeit spielte sich drüben beim anderen Schiff eine Veränderung ab: Die Beleuchtung wurde gedämpft, bis nur noch ein schwacher Schimmer aus den Fensterfronten und Öffnungen drang. Einzig eine kleine Luke an der uns zugewandten Seite des Schiffes war nach wie vor in gleißend helles Licht getaucht.
Du willst nicht ernsthaft da rüber.
»Wozu sonst sind wir hier?«, murmelte ich unwillkürlich und eilte zum Antigravlift. »Positronik, bring uns so nahe wie möglich an diese Luke. Sobald ich das fremde Schiff betreten habe, gehst du auf sicheren Abstand und hältst dich bereit.«
Ich erreichte die Luftschleuse und legte einen Kampfanzug an. Natürlich war mir klar, dass ich auch damit nicht viel würde ausrichten können, wenn man mir doch eine Falle stellte, dennoch war mir der Anzug wie eine zweite Haut und gab mir das Gefühl von Sicherheit und Stärke.
»Wenn ich mich länger als eine Tonta nicht gemeldet habe, setzt du zwei Notrufe ab: einen an die Kolonie und einen an Tarts de Telomar, letzte bekannte Position«, instruierte ich die Positronik weiter. »Wenn das fremde Schiff sich entfernt, versuch es manövrierunfähig zu schießen. Wenn es dich angreift, fliehst du.«
»Verstanden. Haben Position erreicht.«
Ich schloss den Helm, trat in die Schleuse, wartete, bis die Luft abgesaugt war und die äußere Tür sich öffnen ließ.
Vor mir, in einer Entfernung von etwa dreißig Metern, lag die erleuchtete Luke. Ich schloss die Augen und bekämpfte meine Aufregung. Dann stieß ich mich ab. Ein kurzer Moment der Übelkeit, als ich das künstliche Schwerkraftfeld der TOSOMA verließ und mein Magen sich hob, dann schwebte ich durch die bodenlose Nacht hinüber.
Noch bevor ich die Luke erreichte, öffnete sie sich wie eine Irisblende. Ich korrigierte meinen Vektor und glitt hinein. Sobald sich die Luke geschlossen hatte, bauten sich eine Sauerstoffatmosphäre und ein Schwerkraftfeld auf. Die innere Luke der Schleusenkammer glitt auf, und ich trat auf einen grell erleuchteten Gang hinaus.
Der Gang war ebenso unregelmäßig wie das ganze Schiff und erinnerte an eine hastig ausgekleidete Werkshalle. Die gesamte Umgebung wirkte fremdartig und nur behelfsmäßig für einen Besucher wie mich ausgelegt. Die Schwerkraft war gerade ein bisschen zu hoch, und die Luft – wie ich mich überzeugte, als ich meinen Helm der Proteste meines Gedankenbruders ungeachtet öffnete – gerade ein bisschen zu dünn. Es war, als hätte man versucht, mir meinen Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen, sich dabei aber etwas verschätzt.
Oder wer immer dieses Schiff geschickt hat, will nicht, dass du dich wohlfühlst oder im Vorteil bist.
»Ich heiße dich willkommen in meinem Leib«, flüsterte die Stimme, die ich zuvor schon gehört hatte. Sie klang ... näher als in der Funkübertragung. Als befände ich mich tatsächlich in ihrem Inneren, sodass sie mich von allen Seiten umgab und von überall und nirgends zu kommen schien. »Komm tiefer.«
Obwohl ich es immer noch für denkbar hielt, dass meine Ziehschwester wirklich etwas ausgefressen hatte, was irgendwie zu dieser seltsamen Begegnung an diesem Ort zu dieser Zeit geführt hatte, so war mir durchaus bewusst, dass es mindestens ebenso wahrscheinlich war,
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