PR NEO 0055 – Planet der Stürme
Geheimnis, Ageare. Wir reden selten darüber. Die weiblichen Naats sind in den Grubenhöhlen, weil sie es möchten. Sie haben etwas, das wir männlichen Naats nicht haben. Das Faasidun.«
»Was ist das?«
»Ich ... Es ist schwer zu erklären. Eine Präsenz. So real wie der See vor uns und doch kaum zu greifen. Es hat seine eigene Stimme, und die weiblichen Naats lauschen ihm, sind glücklich, es in den Tiefen des Felsens zu hören. Wir hören es nicht. Zumindest die meisten von uns.«
Tineriaan verstummte.
»Aber du ... du warst eine Ausnahme, richtig?«
»Richtig. Ich hörte es. Und ich wollte bleiben. Unten bei den Frauen. Leider habe ich die Auflagen eines Wächters nie erfüllt. Sie haben mich verbannt, mich gezwungen hinaufzugehen. Seitdem suche ich draußen meine Bestimmung. Es gab Tage, da habe ich mir gewünscht, dass es aufhört, egal wie. Aber dann traf ich Charron da Gonozal. Den ersten Arkoniden, der mir in die Augen sah und mich verstand. Er lud mich in seinen Khasurn ein, fragte, ob ich sein Leibwächter werden wollte. Ich lehnte ab. Aber er ließ die Einladung bestehen, als wäre ich ein Freund auf Augenhöhe. Ich habe ihm viel zu verdanken.«
Sie schwiegen beide. Ageare dachte über Tineriaans Worte nach. Sie hatte immer in einer Gemeinschaft gelebt, sich freiwillig einer Geshur aus Agenten angeschlossen, die sich als Xenoforscher tarnten.
Wie mochte es sich anfühlen, ganz allein zu sein? Völlig auf sich gestellt unter arroganten Artfremden zurechtzukommen, die in einem Freiwild witterten und ihre Ängste und Komplexe an einem ausließen?
Sie wusste es nicht. Aus einem Impuls heraus legte sie ihre Hand auf Tineriaans Unterarm. Dort lag sie weiß und zierlich mit sorgsam gepflegten Nägeln auf borkigem Schwarz.
»Wenn das hier vorbei ist, lad ich dich zum Essen ein. Dreimal. Für jedes Arschretten.«
Tineriaan grinste, aber dieses Mal wirkte es überhaupt nicht schauerlich und verkehrt, sondern aufrichtig. Ageare lächelte zurück.
»Und?« Tineriaan zeigte auf ihr Armbandgerät. »Warum bist du zu mir gekommen? Brauchst du jemanden, der Wache hält?«
Ein wenig fühlte sich Ageare ertappt, als hätte sie unlautere Ziele oder Tineriaan hintergangen. Dabei folgte sie lediglich ihrem Auftrag, der auch Tineriaans Mission war. »Ja. Würdest du die andern beiden beobachten, während ich etwas überprüfe?«
»Klar.« Tineriaan stand auf. »Was hättest du denn gern für ein Warnsignal? Das Quäken einer Thersu oder Donnergrollen?«
»Ich wusste gar nicht, dass du Scherze machst.«
Tineriaan verstaute Messer und Holz in einer der Beintaschen und streckte seinen gewaltigen Körper. »Glaub mir, es gibt nach wie vor genug, was du nicht über mich weißt.«
»Glaub ich aufs Wort.« Ageare machte eine wedelnde Bewegung mit der Hand. Sie brannte vor Neugierde, was sie auf da Kirtols Armbandgerät abgezogen hatte. Es war mehrfach gesichert gewesen, allerdings zu ihrem Glück mit einer veralteten Sicherung.
Tineriaan stapfte davon.
Ageare schaltete ein akustisches Verzerrerfeld und rief die Datei auf, von der sie sich Hinweise auf Herak da Masgars Schuld erhoffte.
18.
Das Geheimnis der Xirdor
Epherem erwachte. Unruhig tastete er nach einer der Armschienen. Wie lang hatte er geschlafen?
Er stand auf und berührte Ageare an der Schulter. Die Ara lag an der Seite der Höhle auf einer Moosbank. Draußen regnete es, und im tiefer liegenden Bereich hatte sich eine schlammige Pfütze gebildet, in die vereinzelte Tropfen durch ein Gewirr aus Spannranken platschten.
»Hey, wir müssen los!«
Ageare blinzelte und sah ihn an. Ob das Gold ihrer Augen echt war? Unwahrscheinlich. Vermutlich hatte sie die Iriden eingefärbt oder trug Farblinsen. Der Effekt im Zusammenspiel mit dem goldenen Hautring um ihren Hals war so oder so beeindruckend.
»In Ordnung.« Sie klang verschlafen, kam aber rasch zu sich und weckte den Naat und Julef.
»Wenn wir aufbrechen, geht stets hinter mir.« Epherem wusste, wohin er seine Füße setzen musste, um nicht ins Erdreich einzubrechen. Er kannte die Pflanzen und konnte sich an verschiedenen Moosformen orientieren, unter denen sich fester Boden befand. Eine hundertprozentige Garantie suchte man vergeblich, aber es war besser, als einfach draufloszustürzen.
Der Naat grub ein Loch und verscharrte darin die nutzlos gewordenen Fluganzüge. Dann aßen sie die letzten Reste der Trockennahrung aus den Reserven und brachen auf. Epherem bemerkte überrascht, dass der Regen
Weitere Kostenlose Bücher