PR Odyssee 05 - Das strahlende Imperium
fest oder sie ist noch offen, unentschieden, veränderbar (und nicht nur zu realisieren oder auszuschreiten). Und Ähnliches gilt, wenn Zeitreisen möglich sind, für die Vergangenheit: Entweder steht sie unerschütterlich fest oder sie lässt sich ebenfalls ändern.
Science-Fiction-Autoren haben sich - wie später Physiker und Philosophen - einiges einfallen lassen, um die Folgen von Zeitreisen zu beschreiben und mit den drohenden Zeitparadoxien umzugehen.
• Am radikalsten sind jene Werke, die Zeitreisen kreuz und quer ermöglichen und mit Zeitparadoxien sogar geistvoll spielen - wie etwa in einigen Romanen von Clark Darlton alias Walter Ernsting oder Jack Finney in Time and Again (1970) und From Time to Time (1995). Dass geringste Änderungen eine völlig andere Ereigniskette zur Folge haben können, ist durch die Forschungen der Chaostheorie - kleinste Modifikationen in nichtlinearen Systemen schaukeln sich
lawinenartig und praktisch unberechenbar auf - inzwischen offenkundig geworden.
Einen solchen Schmetterlingseffekt (der Flügelschlag eines Falters über Japan könnte einen Wirbelsturm in der Karibik auslösen) hat Ray Bradbury in Ferner Donner (A Sound of Thunder, 1952) illustriert: Das Zerquetschen eines Schmetterlings bewirkt einen völlig anderen Geschichtsverlauf. In Henry Beam Pipers Paratime Police-Serie (ab 1947) und in Fritz Leibers Roman Eine tolle Zeit (Big Time, 1958/1961) ist die Wahrscheinlichkeit, mögliche Welten zu beeinflussen, ein zentrales Thema. In der Erzählung Im Kreis (By His Bootstraps, auch: The Time Gate, 1941) von Robert Heinlein wird die Flucht aus einer tyrannischen Zukunft möglich. Eine andere Option bietet die Veränderung der Gegenwart wie in Ferner Donner von Ray Bradbury. In Isaac Asimovs Das Ende der Ewigkeit (The End of Eternity, 1955) verfügt nur eine Elitegruppe über Zeitmaschinen und kontrolliert mit ihrer Hilfe die Geschichte nach ihren Zwecken, die Hauptperson interveniert und löst ein Zeitparadoxon aus, sodass diese Oligarchie der Zeitmanipulatoren erst gar nicht entsteht. Auch James Tiptree, Jr. spielt in Ein Leben für eine Decke der Hudson Bay Company (Forever to a Hudson Bay Blanket, 1972) auf melancholische Weise mit einer Zeitparadoxie. In Gordon Dicksons Roman Sturm der Zeit (Time Storm, 1977) kommt es in einer Zukunft, in der das Universum kollabiert, zu Zeitbeben - Rissen in den Zeitschichten, sodass die Vergangenheit der Höhlenmenschen und eine Zukunft mit Außerirdischen neben der Gegenwart bestehen und ein kurzer Weg reicht, um in diese Zeiten zu gelangen.
In anderen Werken ist die Zeit völlig aus den Fugen, etwa in Kurt Vonneguts Slaughterhouse-5 (1969),
Robert Silverbergs Now + n, Now - n (1972), Francis Marion Busbys If This is Winnetka, You Must Be Judy (1976) und Ben Jeapes’ Pages Out of Order (1997).
• Andere Erzählungen gehen dagegen davon aus, dass Änderungen der Vergangenheit keine weit reichenden und einschneidenden Folgen haben: So beschrieb Fritz Leiber in seiner Change War-Serie (1958, 1961, 1981) den Kampf zweier rivalisierender Gruppierungen um den Ablauf der Geschichte. Doch ein Gesetz von der Erhaltung der Wirklichkeit führt zu einer Art Beharrungsvermögen der Zeit, sodass sich durch die fortgesetzten Manipulationen kaum etwas ändert. Auch Isaac Asimov postulierte in Das Ende der Ewigkeit eine Art von >Zeitreibung<, die normalerweise lawinenartig sich aufschaukelnde Modifikationen unterdrückt.
• Änderungen der Vergangenheit könnten schlicht unbemerkt bleiben, obwohl sie sich ereignen: Die klassische Story dazu ist von William Tenn alias Philip Klass und heißt Da,s Projekt Brooklyn (Brooklyn Project, 1948). Geschildert wird, wie eine Gruppe arroganter Wissenschaftler mit einem Chronar die Entwicklungsgeschichte der Erde und die biologische Evolution nachvollziehen will. Die Menschen lassen das Zeit-Periskop stichprobenartig die Vergangenheit besuchen und wiegeln die Skeptiker ab. Tatsächlich triumphieren die Forscher nach jedem Blick in die Vergangenheit, dass alles beim Alten bleibt. Doch mal verdrängt der Chronar etwas atmosphärischen Dampf, der sich zu Regentropfen verdichtet, dann verändert er ein paar chemische Reaktionen, tötet einen Trilobiten oder erhöht an einer Stelle geringfügig die Meerestemperatur. »Schauen Sie doch genau hin!« triumphiert der geschäftsführende Sekretär am Ende des Experiments und streckt seine fünfzehn purpurroten Fühler von sich: »Nichts hat sich geändert!« -
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