PR Posbi-Krieg 05 - Die Psi-Fabrik
Viel zu viele Nächte. Adilai hörte nichts mehr von Tawe.
Gerüchte hörte sie. Geschichten, die die Ueeba sich erzählten, zusammengereimt aus wenigen Sätzen seltsam wortkarger Männer. Tawe lag im Sterben. Tawe war schwer verletzt. Tawe würde nie wieder in der Senkrechte gehen können. Tawes Lungen waren so beschädigt, dass er sich kaum drei Schritte bewegen konnte, ohne in Atemnot zu geraten. Dann lebte Tawe. Geheilt, aber vernarbt, fürs Leben gezeichnet. Mit beschädigtem Geist, dem misstraut werden musste. Tawe, der Mörder! Der unter Beobachtung gehalten werden musste, eingeschlossen hinter den Fabrikmauern. Tawe, der missgelaunt war, mürrisch, bitter! Der tagelang nicht sprach. Der aber hinter dem Rücken der anderen intrigierte, sich bei der Fabrikleitung lieb Kind machte, der irgendetwas vormachte, der sie alle ruinieren würde, ihren Tod heraufbeschwören! Der sich nächtelang in die Bibliothek einschloss und über alten Schriften brütete, der alte, längst vergessene Praktiken studierte, verderbte Praktiken, verbotene Praktiken.
Nichts davon erinnerte Adilai an die Tawe, die sie geliebt hatte.
Das Einzige, was sie aus all dem heraushören konnte, war, dass er litt. Hinter jeder Geschichte, jedem Gerücht glühten Qualen.
Und Adilai litt mit ihm. Ihre Freundinnen erkannten sie nicht wieder. Die Zeit verging, und die Last der verstrichenen Nächte legte sich schwer und schwerer auf Adilai. Keine fröhlichen Feiern auf dem Herzberg mehr. Kein behagliches Einschlafen im selbst gewählten Haufen bester Freundinnen, keine angeregten Gespräche bis weit in den Tag hinein. Nicht für Adilai. Nicht mehr.
Ihre Freundinnen hörten bald auf, sie mit zum Herzberg locken zu wollen. Aber wenn sie manchmal dort ankamen und eine erste Runde um die Festwiese drehten, fanden sie Adilai vor dem Lodertunnel stehend, düster, schweigend, unbewegt. Dann hatten sie Angst um sie.
Aber sie wagten es nicht, sie zu stören. Als würde sie sich in demselben Moment, da ihre Freundinnen sie ansprachen, in seine Tiefen stürzen.
Sie hatten allen Grund, sich Sorgen zu machen. Adilai spürte in der Tat seinen Sog.
Aber Tawe lebte, sagten die Gerüchte, die Geschichten. Und wenn Tawe lebte, dieser fremde, düstere Narben-Mann, wenn er Qualen litt und doch lebte - wie durfte sie dann sterben?
Und doch spürte sie den Sog des Lodertunnels.
Sie hatte nie mit jemandem darüber gesprochen, nicht einmal mit Tawe, aber früher, da hatte sie manchmal das Gefühl gehabt, dass der Tunnel ihr etwas versprach, etwas ankündigte.
Ein so diffuses Gefühl war das gewesen, dass sie sich albern vorgekommen wäre, davon zu erzählen.
Von Ankündigungen und Versprechen war nichts mehr zu spüren. Wenn es jetzt manchmal in den Tiefen des Lodertunnels irrlich-terte, dann rief er Adilai nur. Lockte.
So stand es um Adilai, und nur der Gedanke an die nächste Hitze hielt sie aufrecht. Wenn die Gerüchte falsch waren, wenn Tawe nicht kranken Geistes war, wenn er kein Gefangener der Fabrik war, würde er kommen.
Bei der nächsten Hitze würde er ein reifer Mann sein.
Und er würde kommen!
Er kam nicht.
Nicht in der ersten Nacht und nicht in der zweiten. Adilai war heiß, Adilai war schön. Aber die Männer mieden sie.
»Wie geht es Tawe?«, fragte sie die Männer. »Habt ihr eine Nachricht von ihm? Ist er...?«
»Tawe! Ach!« Die meisten Männer suchten sich dann eine andere zum Bäumeln. Die wenigen, die trotzdem etwas mit ihr anfingen, waren wortkarg und irgendwie schlecht gelaunt Adilai hing mit ihnen im Liebesnest und spürte wenig.
Adilai war heiß, Adilai war schön. Aber ihre Schönheit bröckelte. »Weiß gar nicht, was an der so toll sein soll«, hörte sie einen angetrunkenen, aufgekratzten Forscher einmal sagen, drüben auf der Festwiese. Er war nicht zu sehen hinter den Larven der Tanzenden, in dem Gewimmel der schwarzbunten Leiber, und er hatte keinen
Namen genannt Also wusste sie gar nicht genau, ob er sie überhaupt gemeint hatte.
Aber sie wusste es genau. Er hatte.
Auch in der dritten Nacht, in der es immer schon ruhiger zuging, weil viele Männer sich erschöpft hatten und die meisten Frauen schon mit überreifem Leib und wundem Innersten bei der Ablage im Hütehaus waren, kam Tawe nicht.
AberTibala kam.
Sie hatten Sex miteinander; angenehmen, freundlichen, wohltuenden Sex. Und dabei redeten sie. Flüsterten in der Geborgenheit von Tibalas Liebesnest.
»Es geht ihm ganz gut, glaube ich«, sagte Tibala. »Aber er darf
Weitere Kostenlose Bücher